Gratulation verweigert Oppositionsführer nennt Erdogan "Diktator"

Ankara · Der türkische Oppositionschef greift Erdogan nach seinem Wahlsieg scharf an und wirft der Regierung unfairen Wahlkampf vor. Ein Erdogan-Verbündeter empört unterdessen mit einer gegen Journalisten gerichteten Zeitungsanzeige.

 Staatspräsident Erdogan verwahrt sich gegen die Kritik der Wahlbeobachter.

Staatspräsident Erdogan verwahrt sich gegen die Kritik der Wahlbeobachter.

Foto: Lefteris Pitarakis/AP

Der Chef der größten Oppositionspartei CHP in der Türkei hat den wiedergewählten Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen "Diktator" genannt und ihm die Gratulation verweigert. "Jemandem, der eine Diktatur anstrebt, gratuliert man nicht", sagte Kemal Kilicdaroglu in Ankara.

"Jemandem, der nicht an Demokratie glaubt, kann man nicht gratulieren. Jemandem, der die Organe der Legislative, Judikative und Exekutive an sich bindet, kann man nicht gratulieren."

Kilicdaroglu sowie die Erdogan-Herausforderin und Chefin der Iyi-Partei, Meral Aksener, kritisierten zugleich den Wahlkampf als unfair. Aksener kündigte außerdem an, eine "noch entschlossenere" Oppositionsarbeit zu machen. Der zweitplatzierte Präsidentenkandidat der CHP, Muharrem Ince, teilte auf Twitter mit, er werde in alle 81 Provinzen reisen, um seinen Anhängern zu danken. US Präsident Donald Trump rief Erdogan nach Angaben der türkischen Staatsagentur Anadolu unterdessen an und gratulierte ihm zum Wahlsieg.

Erdogan hatte am Sonntag die Präsidentenwahlen nach vorläufigen Ergebnissen und Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit 52,59 Prozent der Stimmen gewonnen. Ince erhielt demnach 30,64 Prozent, der inhaftierte pro-kurdische Politiker Selahattin Demirtas 8,4 Prozent und Aksener 7,29 Prozent. Bei den Parlamentswahlen, die gleichzeitig stattfanden, wurde die Allianz von Erdogans AKP und der ultranationalistischen MHP stärkste Kraft. Die Allianz setzte sich damit gegen das Oppositionsbündnis aus CHP, Iyi-Partei und Saadet-Partei durch. Mit den Wahlen ist der Umbau von einem parlamentarischen in ein Präsidialsystem abgeschlossen. Erdogan erhält deutlich mehr Macht.

Zu einem von vielen Anhängern geforderten Rücktritt als Parteivorsitzender zugunsten Inces wollte sich CHP-Chef Kilicdaroglu nicht konkret äußern. Über Personalfragen werde die Partei entscheiden, sagte er. Kilicdaroglu kritisierte, die Wahlen hätten im Ausnahmezustand stattgefunden. Es habe "Repressionen, Erpressungen und Drohungen" gegeben. Die Regierung habe zudem "alle Staatsmittel genutzt". Die Medien seien zu "95 Prozent unter der Kontrolle der Regierung". Aksener äußerte sich ähnlich und sagte: "Die Regierung hat alle Mittel genutzt, um uns mit unzähligen Hindernissen, Drohungen und Diffamierungen zu konfrontieren." Kritik internationaler Wahlbeobachter wies die türkische Regierung zurück.

Unterdessen sorgte eine Zeitungsanzeige des mit Erdogan Verbündeten MHP-Chefs Devlet Bahceli für Empörung. Bahceli veröffentlichte in den Zeitungen "Hürriyet" und "Sabah" eine Liste mit Namen kritischer Journalisten und Intellektueller unter dem Titel: "Danksagung (Diffamierung, Beschuldigung, Unterstellung)". Darunter stand: Die genannten Personen hätten eine "monatelange, rege und ermüdende Diffamierungskampagne" geführt. "Ich hoffe, dass diese geehrten Personen (!), die einen besonderen Abscheu und Hass gegenüber der MHP hegen, zur Einsicht kommen und gerecht werden." Auf der Liste stehen unter anderem die "Cumhuriyet"-Journalisten Kadri Gürsel, Erdem Gül und Özgür Mumcu. Aber auch Namen von Journalisten der Zeitungen "Sabah" und "Hürriyet", in denen die Anzeige erschienen war.

Die Behörden gingen zudem weiter gegen angebliche Unterstützer der Gülen-Bewegung in Militär und Polizei vor. Nach Angaben von Anadolu wurde die Festnahme von 138 Soldaten und ehemaligen Polizisten angeordnet.

Die türkische Regierung macht die Bewegung um den in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Unter dem von Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand wurden Zehntausende verhaftet. Kurz vor den Wahlen hatte Erdogan in Aussicht gestellt, den am 19. Juli auslaufenden Ausnahmezustand nicht zu verlängern.

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