Kommentar zum Verhältnis von Nato und Russland Ost-West-Balance

Meinung · Der Kalte Krieg ist seit mittlerweile fast 30 Jahren Geschichte. Eines aber ist geblieben: Die Nato und Russland halten sich gegenseitig in Schach, sagt GA-Redakteur Holger Möhle.

Bündnisse sterben offenbar doch nicht mit ihren Gegnern. Sonst hätte die Nato mit dem Untergang des Warschauer Paktes am Ende des Kalten Krieges mangels Nachfrage selbst das Ende ihres Geschäftszweckes bekannt geben können. Feind weg, Begründung weg, Einsatzzweck weg. Doch stattdessen wuchs die Nato zum gefragtesten Verteidigungsbündnis auf diesem Erdball – mit inzwischen 29 Mitgliedsstaaten. Und die Tür zum Beitritt steht weiter offen.

Ein Gegner blieb ihr in all den Jahren zuverlässig erhalten, der seither auf beinahe jedem Nato-Gipfel Thema war: Russland. Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump Deutschland gar unterstellt, es mache sich wegen der Gaspipeline Nordstream 2 zum Gefangenen Russlands, wo Trump doch am liebsten selbst Flüssiggas aus US-Vorkommen an Europa verkaufen würde.

Wenn die Nato jetzt in ihr größtes Militärmanöver seit Ende des Kalten Krieges zieht, tut sie dies auch als Antwort auf Russland. Moskau hatte erst im September bei einem gigantischen Großmanöver Truppen aufmarschieren und üben lassen – mit China als Partner, was ein deutliches Signal an den Westen war: Auch wir können uns mächtig verbünden!

Der Feind soll wissen: Wir sind gewappnet

Die Nato und Russland halten sich weiter gegenseitig in Schach und auch auf Distanz. Sie hatten sich zwischenzeitlich einer strategische Partnerschaft versichert, die sie in Folge des Ukraine-Konfliktes aber auf Eis gelegt haben und seit geraumer Zeit wieder vorsichtig auftauen. Doch das westliche Militärbündnis mit der Weltmacht USA als Führungsnation und die Großmacht Russland mit ihren weltweiten strategischen Interessen, wie unter anderem Parteinahme und aktive Kriegsunterstützung für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zeigen, stehen einander weiter voller Argwohn gegenüber.

Der Kalte Krieg ist zwar seit knapp 30 Jahren vorbei, einige alte Mechanismen aber greifen weiter. Rüstet die eine Seite neu auf, wird die andere Seite auf eine Antwort nicht lange warten lassen. Die Ost-West-Balance der militärischen Kräfte behält ihre Logik.

Dass der ohnehin leicht reizbare und in seinen Positionen wankelmütige US-Präsident den INF-Vertrag über atomare Mittelstreckenraketen kündigen will, hat Russland mitprovoziert. Moskau wiederum verweist auf eine US-amerikanische Raketenbasis in Rumänien, von der man sich bedroht fühle. Der Kreislauf von Misstrauen und Skepsis, der eine neue Phase der Aufrüstung nach sich ziehen könnte, wird weiter in Schwung gehalten.

Nun also die Rivalität der Großmanöver: Russland ruft zu „Wostok“ (Osten), die Nato rückt zu „Trident Juncture“ nach Norwegen aus, wo die russische Grenze nicht mehr ganz fern ist. Der Feind von einst, der heute strategische Partner und Gegner in einem ist, soll wissen: Wir sind gewappnet. Aufpassen, abschrecken. Abrüstungsträume? Vorerst geplatzt.

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