Missbrauch und Folter Oxfam warnt EU: Menschen nicht an Flucht aus Libyen hindern

Rom · "Die Hölle auf Erden" - so beschreibt Oxfam das Bürgerkriegsland Libyen. Sie warnt die EU davor, die Menschen an der Flucht aus Libyen zu hindern. Italiens Ministerpräsident dagegen erkennt erste Erfolge der neuen Strategie seiner Regierung.

 Afrikanische Migranten im Lager Zawiyah, 45 Kilometer von Tripolis, Libyen. Sie wurden entweder von der Küstenwache aus dem Mittelmeer gerettet oder an der Überquerung von vorne herein gehindert.

Afrikanische Migranten im Lager Zawiyah, 45 Kilometer von Tripolis, Libyen. Sie wurden entweder von der Küstenwache aus dem Mittelmeer gerettet oder an der Überquerung von vorne herein gehindert.

Foto: Mahmud Turkia

Die Hilfsorganisation Oxfam hat die EU-Mitgliedsstaaten davor gewarnt, Menschen an der Flucht aus Libyen zu hindern. Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht Chaos in dem nordafrikanischen Staat.

"Der Versuch der EU, sicherzustellen, dass Menschen Libyen nicht verlassen können, gefährdet mehr Männer, Frauen und Kinder, missbraucht oder ausgebeutet zu werden", heißt es in einem Bericht von Oxfam.

Er basiert auf Befragungen von 158 Migranten, die in Sizilien angekommen sind und zwei Partnerorganisationen von Oxfam von Vergewaltigungen, Zwangsarbeit und Folter in dem zerrütteten Bürgerkriegsland berichtet haben.

Drei Regierungen kämpfen in Libyen um die Macht. Schlepper nutzen die unübersichtliche Lage, um Menschen gegen viel Geld auf Boote in Richtung Europa zu setzen. Mehr als 95 000 im Mittelmeer Gerettete kamen in diesem Jahr bereits in Italien an.

Die EU versucht, den Flüchtlingsstrom einzudämmen. Allen voran will Italien die Libyer bei der Bekämpfung des Menschenhandels nach Europa unterstützen - und mit technischer und logistischer Unterstützung der libyschen Küstenwache auch dazu beitragen, dass weniger Menschen kommen. Außerdem verstärkt die Regierung in Rom den Druck auf Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Migranten retten.

Ein umstrittener Verhaltenskodex für die Retter sei "wesentlicher Teil" einer Strategie, die auch die Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden vorsehe, sagte Ministerpräsident Paolo Gentiloni am Montagabend dem Fernsehsender Rai. "Diese Strategie (...) zeigt langsam Resultate. Allmählich reduziert sich der Zustrom, der Staat gewinnt und die Schlepper verlieren." Seit Freitag rettete die libysche Küstenwache schon mehr als 1100 Menschen in Hoheitsgewässern und brachte sie zurück nach Libyen.

Berichte von Migranten machen allerdings deutlich, dass Libyen ein Land bleibe, in dem Menschenrechte systematisch von Menschenhändlern, Schmugglern, Milizen und kriminellen Banden verletzt würden und in dem Menschen unter unzumutbaren Bedingungen lebten, mahnt Oxfam. Mit Ausnahme einer Frau hätten alle Befragten (31) sexuelle Gewalt erfahren. Ein Großteil der Frauen und Männer hätten mit ansehen müssen, wie andere Migranten gefoltert oder getötet worden seien. Vielen sei regelmäßig Essen und Wasser verwehrt worden.

Oxfam zitiert einen 18-Jährigen aus dem Senegal, der schwer am Kopf verletzt worden sei, nachdem er gefangen genommen worden war. "Als ich aufwachte, dachte ich, ich sei tot. Überall war Blut. Ich war in einer Zelle mit anderen Menschen... Die Zelle war voller Leichen." Ein anderer 18-Jähriger aus Nigeria berichtete, in einem Haus mit 300 anderen gefangen gehalten worden zu sein, in dem mehrere Menschen starben. Eine 28-jährige Nigerianerin sagte: "Ich wurde an jedem Teil meines Körpers geschlagen und gezwungen, bei sexueller Gewalt gegen andere Frauen mitzumachen."

Viele Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass Migranten, die nach Libyen zurückgebracht werden, wieder Gewalt ausgesetzt sind und unter menschenunwürdigen Umständen in Lagern leben müssen. Für die Vielzahl an Kriminellen in dem Land seien Migranten "bares Geld", hatte Ärzte ohne Grenzen die Situation unlängst beschrieben.

"Die EU muss sichere Korridore schaffen, über die diese Menschen nach Europa kommen können und ein faires und transparentes Asylverfahren erhalten", forderte Roberto Barbieri, Geschäftsführer von Oxfam Italien. Oxfam ist an vielen Häfen in Sizilien präsent, in die die Geretteten gebracht werden. Die Gespräche wurden nach Angaben der Organisation zwischen Oktober 2016 und April 2017 geführt.

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