"Cumhuriyet"-Mitarbeiter wegen Terror angeklagt Prozess gegen Journalisten in der Türkei beginnt

Istanbul · In Istanbul beginnt ein Verfahren gegen 19 Journalisten der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“. Sie sollen eine terroristische Vereinigung unterstützt haben.

 Ein Plakat mit den Gesichtern der inhaftierten "Cumhuriyet"-Mitarbeiter hängt Anfang Juli 2017 am Gebäude der regierungskritischen türkischen Zeitung in Istanbul. Auf dem Plakat steht: "Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein."

Ein Plakat mit den Gesichtern der inhaftierten "Cumhuriyet"-Mitarbeiter hängt Anfang Juli 2017 am Gebäude der regierungskritischen türkischen Zeitung in Istanbul. Auf dem Plakat steht: "Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein."

Foto: dpa

Wenn es nach der türkischen Staatsanwaltschaft geht, kann man schon dadurch zum Terroristen werden, indem man den falschen Parkettleger beschäftigt. Oder indem man einen Anruf von einem mutmaßlichen Bösewicht erhält. Wegen Vorwürfen dieser Art müssen sich ab diesem Montag mehr als ein Dutzend Mitarbeiter der Istanbuler Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ verantworten. Ihnen drohen lange Haftstrafen wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

Wie absurd die Vorwürfe der Anklage sind, hat der angeklagte „Cumhuriyet“-Kolumnist Kadri Gürsel in einer in der Untersuchungshaft geschriebenen Analyse herausgearbeitet. Gürsel, einer der prominentesten Journalisten des Landes, war per SMS und Anrufe von mutmaßlichen Anhängern des Predigers Fethullah Gülen kontaktiert worden. Obwohl Gürsel die allermeisten Botschaften und Anrufe nicht beantwortete, hält ihm die Anklage vor, mit Gülenisten konspiriert zu haben. Wenige Tage vor dem Putschversuch des vergangenen Jahres, der laut Ankara von Gülen organisiert wurde, nutzte Gürsel seine Kolumne für scharfe Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan – die Staatsanwaltschaft wertet dies als Straftat. Nach dem Willen der Anklage soll Gürsel 15 Jahre ins Gefängnis.

Bei anderen Angeklagten sieht es nicht besser aus. „Cumhuriyet“-Geschäftsführer Akin Atalay sitzt in Haft, weil er seinen Fußboden von einem Unternehmen erneuern ließ, das auch einen Gülenisten als Kunden hatte. Gürsels Kollege, der 76-jährige Veteran Aydin Engin, soll als Terrorist verurteilt werden, weil er bei einem Reisebüro buchte, bei dem auch ein Gülen-Anhänger ein Ticket kaufte. Der ebenfalls angeklagte Journalist Ahmet Sik saß vor einigen Jahren, als Gülens Bewegung noch mit Erdogans Regierungspartei AKP verbündet war, schon einmal in Haft, weil er ein kritisches Buch über die Gülenisten geschrieben hatte. Diesmal steht er wegen angeblicher Zusammenarbeit mit Gülens Leuten vor dem Richter.

Zwölf der 19 Angeklagten im „Cumhuriyet“-Prozess befinden sich in Untersuchungshaft – einige von ihnen sitzen seit fast neun Monaten hinter Gittern. Auf diese Weise werde die Untersuchungshaft zur Gefängnisstrafe ohne Urteil, schrieb Gürsel.

Journalistenverbände in der Türkei und im Ausland wollen Delegationen zum Prozessauftakt im Justizpalast im Istanbuler Stadtteil Caglayan schicken, um die Angeklagten zu unterstützen. Insgesamt wird mit mehreren Tausend Demonstranten gerechnet.

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