Erstes Mal in der Geschichte des Landes Ratingagentur stuft Israels Kreditwürdigkeit herab

Tel Aviv · Zum ersten Mal in Israels Geschichte stuft die Ratingagentur Moody’s Israels Kreditwürdigkeit herunter. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagiert trotzig. Die Opposition übt scharfe Kritik.

: Israelische Frauen halten Plakate während einer Demonstration, die die Freilassung israelischer Geiseln in Gaza fordert.

: Israelische Frauen halten Plakate während einer Demonstration, die die Freilassung israelischer Geiseln in Gaza fordert.

Foto: dpa/Ilia Yefimovich

Vor dem Hintergrund des Gazakrieges muss Israel an einer anderen Front einen Rückschlag hinnehmen: Am Freitagabend senkte die Ratingagentur Moody’s zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Israels Kreditwürdigkeit ab: von A1 auf A2. Zudem stufte die Agentur auch den Ausblick als „negativ“ ein – eine Warnung, dass Israels Kreditwürdigkeit in Zukunft weiter sinken könnte. Der wichtigste Faktor, mit dem die Analysten ihre Entscheidung begründeten, ist der Krieg, der das „politische Risiko für Israel erhöhen und seine exekutiven und legislativen Institutionen und seine finanzpolitische Stärke auf absehbare Zeit schwächen“ werde. Zudem verwiesen sie auf das Risiko einer Eskalation mit der Hisbollah im Libanon sowie ein erhöhtes „soziales Risiko“.

Die ersten Reaktionen aus der israelischen Regierung nahmen sich eher trotzig aus. „Israels Wirtschaft ist stark“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Herabstufung einzig und allein eine Folge des Krieges, und Moody’s werde Israel wieder hochstufen, „sobald wir den Krieg gewinnen“. Finanzminister Bezalel Smotrich, Vorsitzender der ultrarechten Partei Religiöser Zionismus, tat den Moody’s-Bericht sogar als „politisches Manifest”, ab, das auf einer „pessimistischen und absurden geopolitischen Weltsicht“ fuße.

Experte: Regierung nicht frei von Schuld

Experten sehen die Sache anders. „Die Regierung sollte in ihren Reaktionen wesentlich vorsichtiger sein“, urteilte der Wirtschaftsprofessor Michel Strawczynski von der Hebräischen Universität in Jerusalem, ein früherer Direktor der Forschungsabteilung der israelischen Zentralbank. Schließlich habe die Herabstufung konkrete Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. So führt ein schlechteres Rating unter anderem zu höheren Zinsen auf Staatsschulden, was die Regierung zu Budgetkürzungen zwingt.

Zudem sieht er die Regierung nicht frei von Schuld. So habe diese in ihrem Haushalt trotz kriegsbedingt gestiegener Ausgaben zwar in vielen zivilen Bereichen Zahlungen gekürzt. Sogenannte Koalitionszahlungen, Gelder für Parteien der Koalition, habe sie jedoch beibehalten. Als Beispiel nannte Strawczynski Zahlungen an ultraorthodoxe Parteien, welche diese für die Stärkung jüdischer Traditionen vorgesehen haben. „In Kriegszeiten kann man so etwas doch verschieben“, meinte der Experte. „Der israelischen Gesellschaft ist völlig klar, dass so etwas aktuell keine Priorität hat.“ Entscheidungen wie diese nährten den Unmut gegenüber der Regierung und das Potenzial für Proteste – und damit das „soziale Risiko“, vor dem die Moody’s-Analysten warnen.

Kritik an Israels Regierung

Andere formulierten ihre Kritik noch schärfer. Die Moody’s-Entscheidung sei „ein weiterer Beweis dafür, dass diese Regierung dysfunktional ist und dem öffentlichen Interesse schadet“, sagte Oppositionsführer Yair Lapid. Und die linksliberale Tageszeitung „Haaretz“ urteilte am Sonntag: „Netanjahu senkt Israels Kreditwürdigkeit, übernimmt aber keine Verantwortung.“

Wie sehr die israelische Wirtschaft unter dem Krieg und seinen Folgen leiden wird, hänge in erster Linie von dessen Dauer ab, meinte Ökonom Strawczynski. Sollten die Kämpfe noch in diesem Jahr beendet werden, könnte die Wirtschaft sich schnell erholen – und Israel mit einem besseren Rating belohnt werden. Strukturell sei Israels Ökonomie robust. „Aber wenn der Krieg länger dauert und es womöglich Komplikationen im Norden gibt, wird der ökonomische Effekt stärker ausfallen, weniger wegen möglicher Herabstufungen als vielmehr wegen des Krieges selbst.“