Kommentar zum Image Russlands Ruf verspielt

Meinung · Die Berichte der internationalen Presse über Russland gleichen längst einer Skandalchronik: mit radioaktiven Tropfen vergiftete Polit-Emigranten, Schlaglöcher, in denen Jeeps verschwinden, Krankenhäuser ohne fließendes Wasser, Schmiergeldströme, nicht gezahlte Lehrergehälter.

 Der Mann im Kreml: Wladimir Putin.

Der Mann im Kreml: Wladimir Putin.

Foto: DPA

Ein Staat, der kaum Gutes im Schilde führt, ein Land, in dem kaum etwas funktioniert. Und wenn, dann nur die Tricks, mit denen Geheimdienstler die Urinproben gedopter russischer Olympiasieger austauschen.

Über das Schwarz-Grau-Gesamtbild, das dabei herauskommt, lässt sich streiten. Schließlich erlebt die Mehrheit der Russen ihr Dasein keineswegs als Skandalsumpf, führt keine Kriege im Ausland, freut sich an den Tanzschulerfolgen seiner Kinder, an Sonnenaufgängen beim Angeln. Aber Medien haben die unangenehme Angewohnheit, sich mehr für schlechte Nachrichten zu interessieren als für Sonnenaufgänge.

Moskaus Staatspresse inszeniert ja selbst Westeuropas Alltag als Untergang einer entarteten Zivilisation. Außerdem verkündet sie, der eigene miese Ruf sei Folge eines noch mieseren Informationskrieges, den der feindliche Westen neben dem ukrainischen Maidan-Aufstand und dem Ölpreissturz gegen das Vaterland angezettelt hat.

Dabei galt Putins Russland dem Westen einst als verlässlicher Rohstofflieferant, als Zukunftsmarkt und als politisches System, das sich – auf allerlei Umwegen – Richtung Demokratie bewegte. Jedenfalls galt es nicht als Problem für den freien Westen.

Aber das ändert nichts an der Wirklichkeit: an Justizwillkür, Korruption oder Dopingmethoden, die es in Russland schon vor Sotschi 2014 gab. Und an seiner blutigen Einmischung in der Ukraine danach.

Der Kreml aber leugnet alles, er veranstaltet Politik längst als Geheimdienstoperation, Betrug gilt als Kriegskunst und Notwendigkeit. Das eskalierte in der Versicherung Präsident Putins, die maskierten Soldaten, die im März 2014 auf der Krim massenhaft ukrainische Flugplätze und Kasernen umstellten, seien keine russische Truppen, sondern lokale Freischärler.

Spätestens seitdem gilt der Kreml schlicht als unglaubwürdig, vermutet die Westpresse hinter allen möglichen russischen Schranktüren nur das Schrecklichste. Wer glaubt noch, dass Russland die malaysische Boeing über dem Donbass nicht abgeschossen hat? Dass es nicht damit liebäugelt, in Estland eine separatistische Rebellion anzufachen? Dass es in Syrien wirklich die Welt vor dem IS-Terrorismus retten will?

Russland wird wohl noch lange seinen Ruf als internationale Skandalnudel Nummer Eins behaupten. Um ihn loszuwerden, müsste seine Staatssicherheitselite zu ganz neuer Ehrlichkeit bereit sein. Aber auch dazu, die eigene Wirklichkeit gründlich zu verändern. Wer im Westen traut Russland das noch zu?

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