Eklat wegen Kritik Saudi-Arabien weist Kanadas Botschafter aus
Riad · Wird er kritisiert, schlägt der saudi-arabische Kronprinz schon mal kräftig zurück. Nun muss der kanadische Botschafter das Land verlassen. Wo das hinführen kann, weiß Deutschland nur zu gut.
Nach deutlicher Kritik Kanadas an Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien schlittern beide Länder ungebremst in eine diplomatische Krise.
Die Regierung in Riad erklärte den kanadischen Botschafter Dennis Horak in einer harschen Reaktion am frühen Morgen zur unerwünschten Person und verwies ihn des Landes. Gleichzeitig rief die saudi-arabische Führung ihren Botschafter in Kanada zu Konsultationen zurück, wie die saudi-arabische Agentur SPA berichtete. Ähnliches war vergangenes Jahr bereits der Bundesregierung passiert, nachdem der damalige Außenminister Sigmar Gabriel Riad öffentlich kritisiert hatte.
Anlass war ein Tweet der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland vom Donnerstag. Darin heißt es, Kanada sei ernsthaft besorgt wegen neuer Festnahmen von Aktivistinnen für die Zivilgesellschaft sowie Frauenrechte in Saudi-Arabien, einschließlich von Samar Badawi. "Wir bitten die saudi-arabischen Behörden dringend, sie und alle anderen friedlichen Menschenrechtsaktivisten freizulassen." Samar ist die Schwester des bekannten Bloggers Raif Badawi, der ebenfalls in Saudi-Arabien inhaftiert ist. Seine Ehefrau Ensaf Haidar hat gemeinsam mit ihren drei Kindern erst vor kurzem die kanadische Staatsbürgerschaft erhalten.
Das saudi-arabische Außenministerium betonte, es handle sich um eine eklatante und unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes, die gegen alle internationalen Normen und Protokolle verstoße. Die kanadische Position sei ein Affront, der eine harte Antwort erfordere, um weiteren Versuchen einer Einmischung zuvorzukommen. Botschafter Horak müsse das Land binnen 24 Stunden verlassen.
Zudem fror das ultrakonservative Königreich ein erst vor kurzem geschlossenes Handelsabkommen mit Kanada sowie alle neuen Investitionen ein. Kanadas Premier Justin Trudeau hatte im März einen 10-Milliarden-Euro Waffendeal der konservativen Vorgängerregierung mit Saudi-Arabien aus dem Jahr 2014 bestätigt und gegen Kritik im eigenen Land verteidigt.
Laut Weltbank machte Kanadas Handel mit Saudi-Arabien im Jahr 2016 lediglich 0,24 Prozent des gesamten Handels des Landes aus. Im Vergleich dazu gingen 76 % des gesamten kanadischen Exportgeschäftes in die USA. Mit der Trump-Administration wiederum hat Riad glänzende Beziehungen. Dies ermutigt Thronfolger Mohammed bin Salman nach Einschätzung von Beobachtern zu einer aggressiven Außenpolitik.
Die Festnahmen in Saudi-Arabien waren nur zwei einer ganzen Reihe von Verhaftungen von Aktivisten, die gegen das Autofahrverbot für Frauen im Wüstenstaat demonstriert hatten. Seit Mitte Mai waren mindestens 17 Aktivisten festgenommen worden, von denen einige zumindest zwischenzeitlich wieder freigelassen wurden. Das harte Vorgehen des Staates in einer Phase der Öffnung erklären Experten damit, dass die Staatsführung die volle Kontrolle über die von ihr angestrengten Reformen behalten will. Saudi-Arabien hatte das Fahrverbot für Frauen im Juni als letztes Land der Erde offiziell aufgehoben.
Die Öffnung des streng islamischen Saudi-Arabiens wird Kronprinz Mohammed bin Salman zugeschrieben, der das ölreiche Land mit einer Reihe von Reformen auch auf wirtschaftlicher Ebene in die Zukunft führen will. Der erst 32-Jährige hat inzwischen eine Machtfülle, wie sie wohl zuletzt Staatsgründer Ibn Saud inne hatte. Den Reformkurs verfolgt er dabei mit harter Hand. Abweichende Meinungen toleriert er nicht, sondern ließ viele Dissidenten einsperren.
Ähnlich sensibel reagiert Thronfolger Mohammed auf Kritik von Außen. Vor knapp neun Monaten eskalierten die Spannungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien, nachdem der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel Saudi-Arabien angesichts von Berichten, der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri werde in Riad gegen seinen Willen festgehalten, mit deutlichen Worten kritisiert hatte.
Die Saudis riefen daraufhin aus Protest ihren Botschafter aus Berlin nach Riad zurück. Kein Deeskalationsversuch von Deutscher Seite trug bislang Früchte. Im Gegenteil: Deutsche Firmen meldeten Probleme bei ihrem Geschäft in der Monarchie und werden bei staatlichen Ausschreibungen offenbar nicht mehr berücksichtigt.
Ottawa verteidigte seine Kritik an Saudi-Arabien derweil: "Kanada wird sich immer für den Schutz weltweiter Menschenrechte, eingeschlossen in hohem Maße Frauenrechte, und Meinungsfreiheit einsetzen", schrieb Marie-Pier Baril, die Sprecherin von Freeland, in einer E-Mail an die Deutsche Presse-Agentur. Deshalb werde das Land auch niemals zögern, für diese Werte zu werben. Sie seien wesentlich für die internationale Diplomatie.