Situation in Belarus Sponsert der Westen die Ost-Revolte?

Minsk/Warschau · Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin warnen vor importierten Aufständen. Doch diese These hält einem Faktencheck nicht stand.

 Protest gegen Lukaschenko: Demonstranten in Minsk halten ihre leuchtenden Smartphones in die Höhe.

Protest gegen Lukaschenko: Demonstranten in Minsk halten ihre leuchtenden Smartphones in die Höhe.

Foto: AP/Dmitri Lovetsky

Diktator Alexander Lukaschenko behauptet es: „Da fließt Geld. Aber bald werden diese Leute, die hier demonstrieren, ihre Dollar abgearbeitet haben.“ Der russische Außenminister Sergei Lawrow deutet es ebenfalls an: „Es geht in Belarus nicht um Demokratie. Es geht um die Ordnung, die der Westen durchsetzen will.“ Aber auch im deutschsprachigen Raum hat die These, die USA und die EU sponserten die Opposition in Belarus, ihre Anhänger. „Es ist offensichtlich, dass in Weißrussland ein von außen gesteuerter Regimewechsel läuft“, heißt es in einem Twitter-Kommentar. Doch auch in klassischen Leserzuschriften taucht immer wieder die Frage auf, wer die Opposition denn finanziere, die sich hinter Swetlana Tichanowskaja versammelt hat.

Lukaschenko betont, seine Gegner würden vor allem aus Polen und dem Baltikum gesponsert. Richtig ist, dass die wichtigste mediale Plattform der Protestbewegung von einem jungen Belarussen gesteuert wird, der in Polen lebt. Der 22-jährige Student Stepan Putilo gründete im Messenger Telegram (siehe Infobox) den Kanal „Nexta“, deutsch „Jemand“. Der Name ist Programm: Jemand müsse endlich die Wahrheit sagen. Über den Dienst verbreiteten sich zu Beginn der Revolte, als Lukaschenko das Internet lahmlegen ließ, fast alle Aufrufe der Protestierenden.

Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass hinter Putilo Kräfte aus dem Westen stehen könnten. Vielmehr begann der junge Belarusse schon als 17-jähriger YouTuber unter dem Pseudonym Nexta damit, über „Lukaschenko-Land“ zu lästern – ein osteuropäischer Rezo, der nicht „die Zerstörung der CDU“ oder irgendeiner Partei wollte, sondern einen Diktator herausforderte. Zum Studium ging er deshalb lieber nach Polen. Sein Telegram-Kanal, der sich nach eigenen Angaben aus Werbung finanziert, war also eher zufällig da, als die Revolte in Belarus losbrach.

In Polen haben jedoch noch weitere regimekritische Organisationen aus Belarus ihren Sitz. Darunter sind der Sender Belsat und die Menschenrechtsallianz Charta’97. Die Macher verheimlichen nicht, wer sie unterstützt. So wird Belsat vom polnischen Staatsfernsehen betrieben. Charta’97 wiederum bekommt Geld vom niederländischen Staat, aber auch von der Stiftung des US-Milliardärs George Soros. Der 90-Jährige mit den ungarisch-jüdischen Wurzeln gilt Rechtspopulisten weltweit als Inbegriff eines „Regimechange-Sponsors“.

Aber macht ein finanzielles Engagement eine Revolution? In Belarus spricht schon das Offensichtliche gegen eine gekaufte Revolte. Denn es dürfte nur sehr wenige Menschen geben, die bereit sind, sich für Geld in mehreren „Blutnächten“ in Folge in einen Kampf gegen die schwer bewaffnete Sonderpolizei Omon zu stürzen. Wer die Bilder von verformten Körpern mit verrenkten Gliedern gesehen hat und die Spuren der Folter, dem dürfte es schwer fallen, an Protestprofis zu glauben, die ihr Honorar abarbeiten.

Gegen einen vom Westen organisierten Putsch spricht auch der dezentrale Charakter der Revolte. Die Menschen in Belarus gehen ja keineswegs nur in der Hauptstadt Minsk auf die Straße. In Grodno im Westen oder Gomel im Osten lässt sich aber kein Regimewechsel herbeiführen. Und dann sind da noch die streikenden Belegschaften in den staatlichen Vorzeigebetrieben. Wer dort arbeitet, verdient gutes Geld. Nun aber droht das Regime mit Kündigungen. Gehaltszahlungen bleiben aus. Die Opposition hat zu Spenden aufgerufen. Mit mäßigem Erfolg. Die Bewegung droht sich totzulaufen.

Nicht zuletzt stehen die Anführerinnen der Proteste für die Echtheit der Anliegen. Tichanowskaja, eine Lehrerin, die sich auf die Arbeit im Haushalt und die Erziehung der Kinder konzentrierte, kam nur in ihre Position, weil Lukaschenko ihren Mann Sergej inhaftieren ließ. Und ihre wichtigste Mitstreiterin Maria Kolesnikowa war Wahlkampfleiterin des Ex-Bankers Wiktor Babariko, eines ehemaligen Topmanagers der Belgazprombank. Das Finanzinstitut ist eine Tochter der Moskauer Gazprom-Bank, die eng mit dem Energieriesen verbunden ist. Eine Spur nach Westen ist da auszuschließen.

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