Szenarien eines Staatsstreichs Warum Trump eine Niederlage nicht anerkennen könnte

Washington · Ein renommierter US-Rechtsgelehrter hält es für möglich, dass Präsident Trump nach einer Wahlniederlage gegen Joe Biden im November nicht abtritt. In seinem Buch entwirft er diverse Szenarien.

 Beugt er sich dem Wählervotum? US-Präsident Donald Trump.

Beugt er sich dem Wählervotum? US-Präsident Donald Trump.

Foto: dpa/Patrick Semansky

Es ist die Nacht auf den 4. November, die Nacht nach der Wahl. Wegen der Corona-Epidemie haben Millionen von Amerikanern, weit über das übliche Maß hinaus, ihre Stimme per Brief abgegeben. In Ohio, einem der US-Staaten, in denen es meist auf der Kippe steht, ist Donald Trump von den großen Fernsehsendern zum Sieger ausgerufen worden. Er kann sich Hoffnungen machen, weitere vier Jahre im Weißen Haus zu verbringen.

Kurz nach Mitternacht die kalte Dusche: CNN prognostiziert, dass Joe Biden in Pennsylvania, einem der am härtesten umkämpften Wechselwählerstaaten, gewonnen hat. Insgesamt kommt Biden somit auf 283 Wahlmänner und -frauen, 13 mehr als die 270, die den Sieg bedeuten. Der Präsident, bemerkt er vor jubelnden Anhängern, habe ihn noch nicht angerufen, um zu gratulieren. Er hoffe aber, in Kürze von Trump zu hören. „Er wartet vergebens, der Anruf wird nie kommen“, schreibt der Rechtsgelehrte Lawrence Douglas in einem Buch, in dem er ausmalt, wie Trump ein Tabu brechen könnte.

Machtwechsel ohne viel Aufhebens

Seit George Washington auf eine sicher scheinende dritte Amtszeit verzichtete, um die Tradition des friedlichen Machtübergangs in einer noch jungen Demokratie zu begründen, haben US-Präsidenten den Staffelstab ohne viel Aufhebens weitergegeben. Ob sich auch Trump in sein Schicksal schickt, sollte er am 3. November den Kürzeren ziehen, versieht Douglas, Juraprofessor am Amherst College in Massachusetts, mit einem dicken Fragezeichen. Schon im Titel seiner Abhandlung: „Will he go?“ - „Wird er gehen?“

Natürlich sei keineswegs sicher, dass der Präsident die Wahl verliere, schreibt der Autor. Absehbar sei dagegen, wie er auf eine Niederlage reagieren würde, jedenfalls auf eine knappe, die Spielraum für Manöver biete. „Er wird das Ergebnis anfechten.“ Dass die in über zwei Jahrhunderten erprobten Regeln für ihn nicht unbedingt gelten müssen, mit dem Gedanken hat Trump schon mehrfach gespielt. Vielleicht werde er sein Amt erst „in fünf Jahren, neun Jahren, 13, 17, 21, 25 oder 29 Jahren verlassen“, rief er seinen Fans im Dezember in Pennsylvania zu. Er sage das nur im Scherz, schob er hinterher, um die Medienleute in den Wahnsinn zu treiben.

Trump schrieb schon 2016 von massivem Wahlbetrug

Douglas glaubt nicht an einen Scherz. Den Boden für den Bruch mit der Tradition, schreibt er, habe der damalige Immobilientycoon bereits 2016 bereitet. Falls er gegen Hillary Clinton das Nachsehen habe, twitterte er, dann nur, weil ihm der Sieg gestohlen werde. Seine Anhänger glaubten es ihm. 84 Prozent der den Republikanern zuneigenden Wähler waren der Meinung, dass massiv betrogen werde. 60 Prozent nahmen Trumps durch nichts belegte Warnung, wonach illegal Eingewanderte in großer Zahl abstimmen würden, für bare Münze. Douglas hält den Vorurteilen die Fakten entgegen: Zwischen 2000 und 2014 wurden bei Präsidentschafts- und Kongresswahlen gerade mal 31 Fälle registriert, in denen sich ein Nicht-Stimmberechtigter für einen Stimmberechtigten ausgab.

Was Trump 2020 tun könnte, um eine eventuelle Niederlage in einen Triumph umzudeuten, um seinen Abgang zumindest aufzuschieben, spielt der Jurist anhand fiktiver Szenarien durch. In einem bricht der Noch-Amtsinhaber eine internationale Krise vom Zaun, auf die er sich konzentrieren müsse, sodass an eine pünktliche Übergabe der Macht nicht zu denken sei. In einem anderen dreht sich alles um Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Um die drei Rust-Belt-Staaten, in denen er Clinton mit jeweils hauchdünnem Vorsprung besiegte und die diesmal erneut das Zünglein an der Waage sein könnten. In der Wahlnacht liegt er in allen dreien knapp vor Biden, nur sind da noch längst nicht alle Stimmen von Briefwählern berücksichtigt.

Da die Bewohner größerer Städte eher per Post votieren, und die Mehrheit der Städter erfahrungsgemäß den Demokraten den Vorzug gibt, holt sein Kontrahent in dem Maße auf, wie Briefwählerstimmen ausgezählt werden. Irgendwann hat sich das Blatt in allen drei Staaten gewendet, was bedeutet, dass Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten ist. Nun schimpft Trump über Manipulationen und besteht darauf, allein das mit Stand Wahlnacht ermittelte (vorläufige) Ergebnis gelten zu lassen. In voller Schärfe wiederholt er einen Verdacht, den er schon jetzt schürt, ohne Beweise zu liefern: Das Briefwählen sei eine Einladung zu Gaunereien. Die konservative Mehrheit in den Parlamenten Michigans, Pennsylvanias und Wisconsins folgt ihm und bescheinigt ihm den angeblichen ersten Platz. Die Gouverneure des Staatentrios, allesamt Demokraten, sehen es anders und bestätigen Bidens Wahlsieg.

Damit, spinnt der Autor den Faden weiter, gibt es am 20. Januar 2021 zwei Anwärter für das Oval Office. Zwischen beiden Lagern kommt es zu heftigen Zusammenstößen, während Trump in düsteren Tweets von einem Bürgerkrieg spricht. Gewiss, räumt Douglas ein, von keinem seiner Szenarien lasse sich sagen, dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit eintrete. „Anderseits ist keines völlig unwahrscheinlich.“

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