Neuer Regierungschef in Italien Steiler Weg für Mario Draghi Mario Draghi

Rom · Nach dem Scheitern der Gespräche über eine neue italienische Regierung soll Ex-EZB-Chef Mario Draghi das Land mit einer Expertenregierung führen. Ob er genug Unterstützung findet, ist offen.

  Er soll die neue  italienische Regierung bilden: Mario Draghi gestern auf einer Pressekonferenz in Rom.

Er soll die neue italienische Regierung bilden: Mario Draghi gestern auf einer Pressekonferenz in Rom.

Foto: AP/Alessandra Tarantino

Der scheinbar ideale Kandidat für die Nachfolge von Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte ist gefunden. Doch ob eine künftige Regierung unter Mario Draghi auch die notwendige Unterstützung im Parlament bekommen wird, war am Mittwoch keineswegs geklärt. Die erste Etappe der italienischen Regierungskrise war am Dienstag zu Ende gegangen, die Parteien der bisherigen Regierung unter Conte hatten sich nicht auf eine Neuauflage ihrer Koalition einigen können. Als Konsequenz beauftragte Staatspräsident Sergio Mattarella am Mittwoch den 73-jährigen ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) mit der Regierungsbildung. Doch auch Draghis Weg scheint steiler als zunächst gedacht.

Draghi hatte den Staatspräsidenten auf dessen Einladung hin am Mittwoch an dessen Amtssitz im Quirinalspalast aufgesucht. Der römische Wirtschafts- und Finanzfachmann soll eine auf breite parlamentarische Basis gestellte Expertenregierung bilden. Die Finanzmärkte reagierten begeistert auf die Nominierung des Ex-EZB-Chefs. Der Leitindex der Mailänder Börse stieg am Mittwoch um 2,6 Prozent. Der „Spread“, der Zinsaufschlag auf zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Papieren sank um zwölf Punkte auf 105, den Tiefstand seit knapp einem Jahr.

„Es ist ein schwieriger Moment“, sagte Draghi nach seiner Begegnung mit Mattarella. „Die Pandemie überwinden, die Impfkampagne zu Ende bringen, Antworten auf die täglichen Probleme der Bürger geben, das Land wieder fit machen“, nannte der 73-Jährige als Herausforderungen. „Wir haben die Möglichkeit, viel für unser Land zu machen, mit einem sorgsamen Blick auf die Zukunft der kommenden Generationen und auf die Stärkung des sozialen Zusammenhalts“, fügte er hinzu. Der ehemalige Gouverneur der italienischen Notenbank kündigte an, sich mit den Parteien und  Gewerkschaften zu beraten, um so die Möglichkeit einer Regierungsbildung auszuloten.

Fünf-Sterne-Bewegung steht vor der Zerreißprobe

Die italienische Parteienlandschaft zeigte sich nach der Nominierung Draghis durch den Staatspräsidenten desorientiert. Unbedingte Unterstützung sicherten am Mittwoch nur Italia viva von Ex-Premier Matteo Renzi und andere Kleinparteien zu. Renzi hatte vor zwei Wochen die Regierung Conte zu Fall gebracht und auch Verhandlungen zu einer Neuauflage am Dienstag platzen lassen. Offenbar hatte der 46-Jährige mit der Bildung einer Expertenregierung kalkuliert, um sich so der politischen Konkurrenz Contes zu entledigen und die Allianz zwischen den Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) und der systemkritischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) zu spalten.

Vor allem die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung steht nun vor einer Zerreißprobe. Einige Parteisprecher kündigten an, die Sterne würden eine Regierung Draghi nicht unterstützen. Draghi sei Ausdruck des „Establishments“, protestierte etwa Alessandro Di Battista. In der Bewegung ist diese Linie umstritten. Die Sterne waren Sieger bei der Parlamentswahl 2018 und stellen in Abgeordnetenhaus und Senat mit Abstand die meisten Parlamentarier. Der Chef des zweitstärksten sozialdemokratischen PD, Nicola Zingaretti, signalisierte Bereitschaft zur Kooperation. „Wir sind bereit, mit unseren Ideen bei dieser Herausforderung mitzuarbeiten“, erklärte er. Fraglich ist nun insbesondere, wie sich die Parteien des konservativen Spektrums positionieren, die bislang als Allianz auftraten.

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