Beispielloser Rechtsstreit Supreme Court entscheidet über Zwangspause in London

London · Wenn der Supreme Court den Schritt von Premier Johnson für rechtswidrig erklärt, dürfte es Rücktrittsforderungen hageln. Vor dem Gebäude des Supreme Court in London versammeln sich Demonstranten, die dem Premierminister Machtmissbrauch vorwerfen.

 Ein Polizist steht neben einem Pro-Brexit-Demonstranten mit einem Plakat vor dem "Supreme Court", dem Obersten Gerichtshof von Großbritannien.

Ein Polizist steht neben einem Pro-Brexit-Demonstranten mit einem Plakat vor dem "Supreme Court", dem Obersten Gerichtshof von Großbritannien.

Foto: dpa/Alastair Grant

Es ist ein beispielloser Fall in der Geschichte des Vereinigten Königreichs, der vor dem höchsten Gericht des Landes verhandelt wird. Hat Premier Boris Johnson mit der von ihm erzwungenen Suspendierung des Parlaments gegen die Verfassung verstoßen? Am Dienstag haben elf Richter des Supreme Courts in London mit der Anhörung begonnen. Es geht weniger darum, ob Johnson im juristischen Sinne Recht mit seinem Vorgehen hat, als um die Frage, ob die Gerichte in dieser Angelegenheit zuständig sind. Darüber herrscht Uneinigkeit. Ein schottisches Berufungsgericht hatte in der vergangenen Woche die fünfwöchige Zwangspause für gesetzeswidrig befunden. Zuvor waren zwei weitere Klagen, vor dem High Court in London sowie dem High Court im nordirischen Belfast, abgelehnt worden. Deren Richter entschieden, es handele sich um eine politische und keine rechtliche Frage.

Auch Ex-Verfassungsrichter Lord Sumption bezweifelt, dass die Klage vor dem Supreme Court Erfolg hat. Es sei schwer zu sehen, wie die Gerichte entscheiden können, „ohne einen im Grunde politischen Standpunkt einzunehmen“, sagte er der BBC. „Aber wir befinden uns in einer ungewöhnlichen Situation, zweifellos hat sich die Regierung schmachvoll verhalten.“ Johnson sei die Verfassung und politische Traditionen „mit Hammer und Meißel“ angegangen.

Johnson selbst wiederholt seit Tagen nur sein Mantra, nach dem er zuversichtlich sei, ein Abkommen mit Brüssel zu erzielen. Im Notfall aber will er das Königreich auch ohne Deal aus der Staatengemeinschaft führen. Dabei hat das Parlament kurz vor dem Zwangsurlaub ein Gesetz durchgebracht, nach dem der Premier um eine Verschiebung des Scheidungstermins bitten muss, wenn bis Mitte Oktober kein Vertrag realisiert ist. Der Regierungschef hat gedroht, dieser Aufforderung nicht nachzukommen. Ein solcher Gesetzesbruch wäre „ein schreckliches Vorbild für den Rest der Gesellschaft“, sagte der Unterhaussprecher John Bercow. Das Parlament sei entschlossen, einen solchen Schritt mit allen Mitteln zu verhindern.

Aber was passiert, wenn die Richter des Supreme Court die sogenannte Prorogation für rechtswidrig erklären? Die Opposition verlangt, dass die Abgeordneten dann sofort ins Unterhaus zurückkehren sollen. Seine Kritiker werfen Johnson vor, mit Hilfe der Suspendierung die parlamentarische Kontrolle umgehen zu wollen. Erhalten sie von höchster Stelle Recht, dürften neue Rücktrittsforderungen auf den Premier einprasseln.

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