Kerrys Gesprächsangebot Syrien sieht Aufwertung durch USA

WASHINGTON · Wenn amerikanische Regierungsvertreter über Baschar Assads Rolle im syrischen Bürgerkrieg sprachen, hörte sich das bis zuletzt stets verdächtig nach Cato dem Älteren an. Und dessen historischer Verfügung, wonach Karthago zerstört werden müsse.

 Überraschende Äußerungen: US-Außenminister John Kerry.

Überraschende Äußerungen: US-Außenminister John Kerry.

Foto: AP

Nach Bombenangriffen (auch mit Chemiewaffen) gegen die eigene Bevölkerung besitze Assad "keinerlei Legitimität" mehr, sagte Präsident Barack Obama bereits im Sommer 2011, und verlangte erstmals den Rücktritt des Diktators. Die Forderung wurde danach dutzendfach wiederholt. Und ignoriert. Vier Jahre und 220.000 Tote später hat sich die Tonlage in Washington geändert. Auf die Frage: "Sind Sie bereit, mit ihm (Assad) zu verhandeln?", antwortete Außenminister John Kerry am Wochenende im US-Fernsehen überraschend deutlich: "Nun, letztlich müssen wir verhandeln."

Die Äußerungen des Chef-Diplomaten schlugen umgehend Wellen. Syrische Staatsmedien sprachen von einer "Aufwertung" Assads und einem "neuen Kapitel" in den Beziehungen zu Washington. Republikanische Kongress-Abgeordnete und die türkische Regierung kritisierten das "Einknicken" der Obama-Regierung scharf.

Wie verunglückt Kerrys Äußerungen selbst in Regierungskreisen gewertet wurden, zeigten Versuche der Schadensbegrenzung durch seine Sprecherinnen. Jen Psaki und Marie Harf betonten, dass John Kerry nie davon gesprochen habe, direkt oder persönlich mit Assad verhandeln zu wollen - "das werden die USA niemals tun". Allerdings sei unvermeidbar, dass Repräsentanten der Regierung in Damaskus Teil eines Verhandlungsprozesses sein müssten; mit dem Ziel, den ins fünfte Jahr gehenden Krieg zu beenden.

Wie aber eine Übergangsregierung unter Einbeziehung der von Assad erbarmungslos bekämpften Opposition gelingen soll, wenn der Alleinherrscher nicht direkt an den Gesprächen beteiligt ist, sagte Kerry nicht. Man sei hinter den Kulissen dabei, gemeinsam mit anderen Partnern den "Druck" zu erhöhen und das Regime an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Das Zurückweichen hinter die bisher harte Assad-muss-weg-Linie, der sich vor allem die Regierung in Ankara verschrieben hat, erklären Fachleute in Washington erstens mit Henry Kissinger. Und zweitens mit der Realpolitik in Syrien und im Nachbarland Irak. "Der frühere Außenminister hat immer pragmatisch gesagt: Ich unterstütze den, der in der jeweiligen Region für Stabilität sorgt", erklärte ein Nahost-Experte der Denkfabrik Brookings.

Auf Assad bezogen, bedeute das: "Drängt man ihn aus dem Amt, wächst das Risiko, dass die vom syrischen Rakka aus agierende Terror-Organisation ,Islamischer Staat? in das Vakuum stößt und ein noch brutaleres Regime installiert."

Exakt entlang dieser Linie hatte in der vergangenen Woche John Brennan, der Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA, argumentiert. "Niemand von uns - nicht Russland, nicht die Vereinigten Staaten, nicht die Koalition gegen den IS, nicht die Staaten in der Region - will einen Zusammenbruch der Regierung und der politischen Institutionen in Damaskus."

Der mögliche Kurswechsel Washingtons hat die vom Westen unterstützte Opposition aufgeschreckt. "Der Sturz Assads und seines Sicherheitsapparates ist das vordringliche Ziel jeder Verhandlung", teilten die Oppositionellen mit. Wer Assad und seine Regierung in den Dialog einbinde, stelle sich gegen den Willen des syrischen Volkes. Assad selbst gab sich zurückhaltend. "Wir sollten warten, ob den Erklärungen Taten folgen", zitierte ihn eine staatliche Nachrichtenagentur.

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