May wirbt um Geschlossenheit Tories streiten über Austrittsstrategie

London · Noch bevor an diesem Dienstag das nächste Brexit-Drama beginnen dürfte, bat Premierministerin Theresa May am Montagabend bei ihrer Partei noch einmal eindringlich um Eintracht und Geschlossenheit.

Manch einer wird Mays Bitte auch als eine Art Betteln interpretiert haben, denn die Konservativen sind auf der Insel nicht gerade für ihre Einigkeit bekannt. Diese Woche aber gilt als besonders wichtig für die britische Regierungschefin.

Im Unterhaus beginnt die Debatte um das sogenannte EU-Rückzugsgesetz, das die künftige Beziehung zur EU näher beschreiben soll. Mehr als ein Dutzend Abstimmungen über die Details stehen auf dem Plan, und die könnten unangenehm werden für die Premierministerin.

Während die Hardliner den klaren Bruch wünschen, fordern etliche pro-europäische Parlamentarier, mit Brüssel etwa über einen Verbleib in der Zollunion zu verhandeln, um den Schaden für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Die Zollpolitik hat sich mittlerweile zu einer Glaubensfrage entwickelt.

Und während der Kontinent staunend zuschaut, drehen sich die Tories im Kreis. Kommentatoren auf der Insel kritisieren, dass die tief gespaltenen Konservativen wertvolle Zeit damit vergeuden, über die richtige Austrittsstrategie zu streiten, anstatt mit Brüssel den Weg für die Zukunft zu ebnen. Die Uhr tickt. Bereits am 29. März 2019 treten die Briten offiziell aus der Gemeinschaft aus. Folgt dann die „Kernschmelze“, wie Außenminister Boris Johnson die Möglichkeit einer ungeregelten Scheidung bezeichnet hat?

Bedingte Autorität

Seit Monaten versucht May, die lautstarken Brexit-Fans in den eigenen Reihen zufrieden- und gleichzeitig ihre Autorität wiederherzustellen. Es gelingt ihr nur bedingt. In dieser Woche droht im Parlament ein Aufstand der anderen Seite, der pro-europäischen Kräfte. Die Änderungsanträge, eingebracht vom mehrheitlich Brexit-ablehnenden Oberhaus, dürften zum Großteil zwar wieder rückgängig gemacht werden.

Doch sollten sich einige Tory-Rebellen bei einzelnen Punkten, etwa dem Verbleib in der Zollunion, mit der Opposition der Labour-Partei zusammenschließen, würde das als herbe Schlappe für die ohnehin angeschlagene Premierministerin und ihren Kurs interpretiert werden. Sie könnten den Brexit damit entscheidend verändern. Oder May am Ende doch zu Fall bringen?

Ihre „roten Linien“ sehen bislang vor, sowohl die Zollunion als auch den gemeinsamen Binnenmarkt zu verlassen. Doch sehr viel konkreter wurden die Brexit-Fanatiker, deren Ideologie zunehmend mit der Realität kollidiert, nicht. So steht noch immer eine Lösung für die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland aus – genau wie ein detaillierter Plan für das Verhältnis zwischen Union und Königreich, wenn die Briten den Club verlassen haben.

Ursprünglich sollte das Papier, das die britische Vorstellung von der künftigen Beziehung zwischen London und Brüssel skizziert, zur Sitzung des EU-Rats Ende Juni vorliegen. Nun peilen die Briten Oktober an, wenn die Vertreter der Mitgliedstaaten erneut zusammenkommen.

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