IW-Direktor Michael Hüther "Transfer von Glaubwürdigkeit"

Gemäßigt zuversichtlich für die Zukunft Griechenlands zeigt sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Michael Hüther. Mit dem Wirtschaftswissenschaftler sprach Markus Grabitz.

 Michael Hüther.

Michael Hüther.

Foto: dpa

Griechenland soll in den nächsten drei Jahren 80 bis 86 Milliarden Euro bekommen. Reicht dies aus, nicht nur für den Schuldendienst, sondern auch um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen?
Michael Hüther: Das reicht aus, wenn Griechenland vor allem wieder eine Stabilität beim Regierungshandeln gewährleisten kann. Nur so können Investoren einschätzen, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln. Das Schlimme der letzten Zeit ist ja, dass nichts mehr vorhersehbar war. Da darf man sich nicht wundern, wenn kein Unternehmer bereit ist, sein Geld in Griechenland zu investieren. Es muss also neben all den fälligen Maßnahmen wie der Öffnung der Märkte und Privatisierung auch eine Stabilisierung der Erwartungen für die Privatakteure geben. Da schätze ich die Chancen, die von diesem Drei-Jahres-Paket ausgehen, als hoch ein.

Verschärfen nicht die kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen wie Erhöhung der Umsatzsteuer und Rentenkürzung die Probleme, weil Kaufkraft entzogen wird?
Hüther: Das Problem ist derzeit nicht der Entzug von Kaufkraft. Der Binnenmarkt ist vielmehr zum Stillstand gekommen und zwar auf Grund der verlorenen Monate, die die Regierung Tsipras zu verantworten hat. Wenn keiner mehr Zutrauen haben kann, agiert niemand mehr. Andererseits müssen jetzt dringend Maßnahmen getroffen werden, damit der Staatshaushalt in einigermaßen erkennbarer Zeit in eine stabile Situation gebracht wird. Da muss man manchmal auch die Steuern erhöhen. Ich bin nicht so pessimistisch, setze vielmehr Hoffnung in das zurückkehrende Vertrauen der wirtschaftlichen Akteure.

Welche Reformen sind notwendig, damit das Land mittelfristig wettbewerbsfähiger wird?
Hüther: Hauptsächlich geht es darum, die bereits eingeleiteten, aber dann ausgesetzten Reformen konsequent umzusetzen. Es gab ja eine Absenkung der Arbeitskosten, die aber nicht in gleichem Maße in Preissenkungen umgesetzt wurden. Das spricht dafür, dass die Wettbewerbsintensivität auf den Dienstleistungs- und Gütermärkten mangelhaft ist. Das neue Paket sieht nun auch vor, diese Märkte stärker zu öffnen. Die Produktmärkte sind immer noch hoch reguliert, ohne Wettbewerb lohnt eine Investition aber nicht. Hinzukommen muss ein besseres und effektiveres Handeln des Staates und der Verwaltung. Schließlich müssen noch Privatisierungen stattfinden, denn so werden neue unternehmerische Möglichkeiten geschaffen.

Was halten Sie davon, dass diese Privatisierungen unter europäischer Aufsicht stattfinden sollen?
Hüther: Mit diesem Schritt soll ja den berechtigten Bedenken der Kritiker begegnet werden, die kein Vertrauen in die politischen Akteure in Athen haben. Wenn man nun die Privatisierungen über einen Fonds abwickelt, der unabhängig agiert, aber in Abstimmung mit den europäischen Institutionen, dann ist dies ein Transfer von Glaubwürdigkeit. Nur so waren Länder wie die skandinavischen Staaten und Deutschland bereit, dem Kompromiss zuzustimmen. Ich halte diesen Schritt aber auch sachlich für geboten, weil die Privatisierungen aus dem politischen Tagesgeschäft herauskommen und Mittel erwirtschaftet werden, die investiert werden sollen.

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