Austausch in Helsinki Treffen zwischen Trump und Putin ohne Tagesordnung

Washington · In Europa und in den USA schauen viele mit Sorge auf die Begegnung von Donald Trump und Wladimir Putin am Montag in Helsinki. Der Kurs des US-Präsidenten, der eine zweite Amtszeit anstrebt, ist vollkommen unklar.

Bei Gerald Ford und Leonid Breschnew wusste man, um was es ging. Bei Georg H. W. Bush und Michael Gorbatschow auch. Ebenfalls bei Bill Clinton und Boris Jelzin war lange vorher klar, zu welchem Zweck sich ihre Wege in Helsinki kreuzen würden. Bei dem amerikanisch-russischen Spitzentreffen, das am Montagmittag in der finnischen Hauptstadt über die Bühne gehen wird, liegen die Dinge anders.

Abseits von Schlagworten wie Ukraine, Nato, Syrien, Iran, Nordkorea und atomares Wettrüsten gibt es bei Donald Trump und Wladimir Putin keine von Unterhändlern sorgsam abgeschmeckte Tagesordnung. Und erst recht kein fest vereinbartes Ziel. Von einem „lockeren Kennernlern-Treffen“ spricht verdruckst das Weiße Haus. So als sei es eine diplomatische Marginalie, wenn die Oberbefehlshaber der weltweit größten Atom-Arsenale in Zeiten permanenter Konfrontation nach zwei flüchtigen Begegnungen (Hamburg und Vietnam) zum ersten Mal offiziell die Köpfe zusammenstecken.

Weil Trump und Putin einen großen Teil ihres Vier-Stunden-Budgets unter vier Augen (nur mit Dolmetschern) verbringen wollen, schrillen bis in den Kongress in Washington hinein die Alarmglocken. Uninsono lautet die Befürchtung, dass der von seinem Verhandler-Charme zutiefst überzeugte Trump in seinem Bestreben, Putin zu imponieren und für seine Anhänger daheim einen Propaganda-Erfolg zu fabrizieren, beim losen Daherreden geopolitische Zugeständnisse von größer Tragweite machen könnte. Beispielsweise die nachträgliche Anerkennung der völkerrechtswidrigen Aneignung der Krim durch Russland 2014. Wenn sich denn Putin im Gegenzug anschicken würde, in der Ost-Ukraine vom Gaspedal zu gehen und den Iran teilweise aus Syrien zu bugsieren. US-Truppen würde Trump dann – wie bereits mehrfach angedeutet – zurückbeordern. Als Belohnung winkt für Putin in diesem Denkmodell die Aufhebung von Wirtschafts-Sanktionen. Ein Szenario, das „sowohl den Kongress wie Europa in Aufruhr versetzen würde“, schreiben US-Zeitungen.

Was man weiß: Trump tritt dem von ihm bewunderten Autokraten Putin als wandelndes Paradoxon gegenüber. Sein penetrantes Werben für einen Neustart im Verhältnis zwischen Washington und Moskau, das Vorgänger Obama vor die Wand gefahren habe, kontrastriert seit Amtsantritt mit einer wachsend hartleibiger gewordenen Realpolitik. Russische Konsulate wurden geschlossen, Diplomaten achtkantig rausgeworfen. Putins Oligarchen wurden zudem mit Sanktionen und Einreiseverboten gepiesackt und der Kreml als atomarer Bösewicht und Unruhestifter schlechthin identifiziert. „Unsere Beziehung zu Russland ist schlechter als je zuvor, und das schließt den Kalten Krieg ein“, twitterte Trump im Frühling. Allerdings ohne dabei auch nur ein einziges Mal dem Mann vors Schienbein zu treten, ohne den dort nichts geht: Putin.

Wann immer Gelegenheit gewesen wäre, den Ex-Geheimdienstler persönlich zu stellen, machte sich Trump dessen Unschuldsbehauptungen zu eigen. Das klingt umso unglaublicher, wenn man sie mit den Erkenntnissen sämtlicher US-Geheimdienste und mehrerer Kongress-Ausschüsse in Beziehung setzt. Dort ist gut dokumentiertes Allgemeingut, dass Trump auch durch Fake-News-Tsunamis, die von Kreml-nahen Saboteuren in eine unterdurchschnittlich informierte US-Öffentlichkeit gespült worden waren, ins Amt kam. Dass Kern-Figuren aus Trumps innerstem Zirkel mit Moskau dubiose Kontakte unterhielten. Und dass die Russen Trump mit der illegalen Beschaffung und Veröffentlichung von schmutzigem Material über Hillary Clinton unter die Arme greifen wollten.

Letzteres ist erst gerade von US-Vize-Justizminister Rod Rosenstein sozusagen in Stein gemeißelt worden. Mit der Anklage von zwölf namentlich benannten Spionen des russichen Geheimdienstes GRU, denen massiver digitaler Diebstahl zum Schaden von Clinton in E-Mail-Konten der US-Demokraten vor der Wahl 2016 vorgehalten wird, gerät Trump doppelt in Bedrängnis.

Seine These von der „Hexenjagd“, die Sonder-Ermittler Robert Mueller gegen ihn seit 14 Monaten betreibe, ist selbst aus Sicht von manchen Republikanern „unhaltbar geworden“. Zum anderen wächst der Druck von Schwergewichten wie Senator John McCain, dass Trump Putin die bemerkenswert detailliert dokumentierten Missetaten der Russen, die offenbar durch die Enthüllungsplattform Wikileaks öffentliche Verbreitung fanden, Putin am Montag unter die Nase reibt und künftig auf Nicht-Einmischung pocht.

Täte er es nicht, bekämen jene in Washington und anderen Teilen der Welt Auftrieb, die Trump seit langem für eine „Marionette“ Putins halten, der den US-Präsidenten „in der Hand hat“.

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