Analyse der Rede zur Lage der Nation Trump hat eine polemische Wahlkampfrede gehalten

Washington · Donald Trump hat am Dienstagabend seine Rede zur Lage der Nation gehalten. Für GA-Korrespondent Frank Herrmann war es Wahlkampfrhetorik pur. Eine Analyse.

Donald Trump bei seiner Rede zur Lage der Nation.

Donald Trump bei seiner Rede zur Lage der Nation.

Foto: Doug Mills / POOL / AFP

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn Donald Trump die Einheit der Vereinigten Staaten beschwört, wie er es am Dienstagabend in seiner Rede zur Lage der Nation tat. Das Zusammengehen über Parteigrenzen hinweg. Die Arbeit an einer Agenda, die weder eine republikanische noch eine demokratische sei. Was er darunter versteht, hat er in Sätzen umrissen, wie man sie in der jüngeren Geschichte der USA noch nicht gehört hat, wenn der Präsident bewerten soll, wie es um die Lage der amerikanischen Union steht.

Das Land, so Trump, erlebe gerade ein Wirtschaftswunder. Das Einzige, was es stoppen könne, seien dumme Kriege, politische Spielchen und lächerliche, parteiische Nachforschungen. Um den Frieden zu wahren und Gesetze verabschieden zu können, dürfe es weder Krieg noch Untersuchungen geben. Kein Wunder, dass die Sätze selbst bei den Parteifreunden im Saal eher ein erstauntes Innehalten zur Folge hatten als den dröhnenden Applaus, mit dem sonst nicht gespart wird bei der „State of the Union Address“.

Eine überaus polemische Wahlkampfrede

Ein Präsident, der sich offenbar noch immer nicht abgefunden hat mit der neuen Realität, in der die Opposition im Repräsentantenhaus nunmehr das Sagen hat, stellt so etwas wie ein Ultimatum. Geht es nicht nach seinem Willen, kommen seine Widersacher gar auf die Idee, in parlamentarischen Ausschüssen bislang unter Verschluss Gehaltenes wie seine Steuererklärungen unter die Lupe zu nehmen, rächt er sich mit einer Blockade. Jedenfalls ruft er seine Republikaner auf, den Demokraten für den Fall der Fälle die Kooperation zu verweigern. Wenn Untersuchungen, dann keine Gesetzgebung, so hat er es auf den Punkt gebracht.

Anders gesagt, Trump hat am Dienstagabend vor beiden Kammern des Kongresses eine überaus polemische Wahlkampfrede gehalten. Um das Ansteuern von Mittelwegen in einer für ihn schwieriger gewordenen politischen Landschaft ging es ihm nicht. Es ging ihm allein darum, dem harten Kern seiner Anhänger Munition zu liefern für die anstehende Schlacht. Im Wissen darum, dass das Thema Einwanderung das Wahlduell des Jahres 2020 aller Voraussicht nach genauso prägt, wie es 2016 der Fall war, spricht er von einer akuten nationalen Krise an der Grenze zu Mexiko. Von einer Krise, die es in Wahrheit nicht gibt. Ähnlich wie im Herbst, als er vor dem Kongressvotum die Stimmung anheizte, macht er aus Karawanen mittelloser Migranten, die quer durch Mexiko Richtung Norden ziehen, einen „kolossalen Angriff“. Weshalb er 3750 Soldaten zusätzlich an die Grenze beordert.

"Ich bekomme sie gebaut"

Das ist Wahlkampfrhetorik pur, genau wie die Ankündigung, nun endlich eine Mauer hochzuziehen: „Eine richtige Mauer ist nie gebaut worden, ich bekomme sie gebaut“. Um es zu erzwingen, hat Trump zuletzt 35 Tage teilweisen Regierungsstillstands in Kauf genommen, nachdem die Demokraten die Finanzierung des Vorhabens abgelehnt hatten und eine Haushaltssperre folgte. Gut möglich, dass dem bisher längsten Shutdown der US-Geschichte der nächste folgt, wenn in neun Tagen die Frist abläuft, innerhalb derer sich beide Parteien auf einen Kompromiss geeinigt haben müssen. Zumindest verbal scheint der Präsident bereit, eine Wiederholung des leidigen Kapitels zu riskieren. Und ob es genügend Republikaner gibt, die aus Angst vor der neuerlichen Blamage auf Distanz zu ihm gehen, bleibt abzuwarten.

Was die Substanz angeht, so ist es eine Ankündigung, die Neuigkeitswert hat. Am 27. und 28. Februar wird sich der Amerikaner in Vietnam mit Kim Jong Un, dem Machthaber Nordkoreas, treffen – der zweite Gipfel nach der Premiere von Singapur. Viel Arbeit sei noch zu erledigen, seine Beziehung zu Kim indes sei gut, sagte Trump, in diesem Punkt ganz der Pragmatiker, der er, der umtriebige Geschäftsmann, im Weißen Haus zu sein versprach. Nur folgte einmal mehr ein Seitenhieb gegen den innenpolitischen Gegner, in diesem Fall gegen Hillary Clinton, die Rivalin des Novembers 2016. Wäre er nicht zum Präsidenten gewählt worden, behauptet der ehemalige Immobilienmogul aus New York, würde das Land jetzt wohl Krieg gegen Nordkorea führen – mit womöglich Millionen von Toten.

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