Weitergabe geheimer Informationen Trump ist die Plaudertasche im Weißen Haus

Washington D.C · Ist Donald Trump ein Sicherheitsrisiko? Der Präsident hat vor Russland mit Informationen geprahlt, die striktester Geheimhaltung unterliegen.

Wenn Bob Corker die Nerven verliert, muss es schlimm stehen um den Mann im Weißen Haus. Der republikanische Senator reagierte in der Vergangenheit auf präsidiale Patzer stets mit erstaunlicher Duldsamkeit. Nach der jüngsten Episode von Donald Trump – dem Ausplaudern strikt geheim gehaltener Details über das Terrornetzwerk Islamischer Staat gegenüber zwei russischen Top-Diplomaten – ist dem weißhaarigen Konservativen aus Tennessee der Geduldsfaden gerissen.

Er spricht erkennbar vergrätzt von einer „Abwärtsspirale“, in der sich die Regierung befinde. Und von einem „erschreckenden Mangel an Disziplin“ in der Herzkammer der amerikanischen Demokratie. Dass Trump Wladimir Putins Außenminister Sergej Lawrow und US-Botschafter Sergej Kisljak gesteckt haben soll, was ein mit den USA freundschaftlich verbundener Geheimdienst im Nahen Osten über die sinistren Pläne des Terror-Kalifats herausfand, hat unmittelbar vor Trumps erster Auslandsreise in Sicherheitskreisen weltweit Besorgnis, Entsetzen und jede Menge Fragezeichen ausgelöst.

"Humanitäre Gründe" als Begründung Trumps

Nur nicht bei Trump selbst. Der fühlt sich – wie immer – im Recht und räumte am Dienstag ohne Zerknirschtsein im Kern ein, was die Geheimdienste zur Weißglut bringt. Als Präsident habe er „absolut das Recht“, Informationen über Terrorismus und Flugsicherheit mit Russland zu teilen. Aus „humanitären Gründen“. „Und weil ich will, dass Russland seinen Kampf gegen IS und Terrorismus stark intensiviert“, schrieb er seinen rund 30 Millionen Twitter-Anhängern. Sein Gespür für die Grenzüberschreitung, denn die brisante Info-Ware war mit einem Embargo belegt: gleich null. Dagegen fragen sich Einsatzstäbe im Ausland: Warum kann der nominell mächtigste Mann der Welt nicht dichthalten, wenn es um Leben und Tod geht?

„Wenn es sich um einen Unfall handelt, dann würden andere Leute dafür gefeuert werden“, bewertete der frühere Berater von Präsident George W. Bush, Eliot Cohen, den Vorgang, „wenn es bewusst passierte, dann ist es Verrat.“

Trump offenbart Informationen von "höchster Vertraulichkeit"

Was geschah, rekonstruierten die „Washington Post“ und später andere Medien bis hin zur Nachrichtenagentur Reuters aus anonym gehaltenen Quellen im Umfeld Trumps so: Bei der seltsamen Visite der beiden Russen im Oval Office am 10. Mai (kein einziger US-Fotograf war zugelassen, ein Hof-Lichtbildner Putins sorgte für Schnappschüsse, die lachende Gesichter zeigen) soll Trump in kindlichem Angeber-Ton geprahlt haben: „Ich bekomme großartige Geheimdienstberichte. Ich habe Leute, die mich jeden Tag über großartige Geheiminformationen unterrichten.“ Danach, so bezeugen die Mithörer, erzählte Trump detailliert von IS-Anschlagsplänen auf Passagierflugzeuge mittels Computer-Laptops, die raffiniert mit Sprengstoff präpariert werden.

Ein Kenntnisstand, der bislang als so geheim galt, dass er mit der Einstufung „höchste Vertraulichkeit“ versehen war. Nur eine Handvoll Leute im Weißen Haus wusste davon, berichtet die „Post“. Der aus Schutzgründen nicht genannte Lieferant aus dem arabischen Raum (spekuliert wird über Jordanien und Israel) hatte sich ausbedungen, dass die Info aus dem Innersten des IS in Washington als absolute Verschlusssache behandelt wird. Weitergabe verboten.

Trump aber wollte wieder einmal teilen – und herrschen. Um „sich Putin anzudienen“ und „um zu demonstrieren, wie toll er selber ist“, gab der Präsident das Herrschaftswissen ungefiltert weiter, analysieren US-Kommentatoren. „Er hat den Russen mehr gegeben, als wir unseren engsten Verbündeten erzählen würden“, entrüstete sich ein Geheimdienstler gegenüber der „Washington Post“. Weil Trump auch noch exakt die Stadt im IS-Territorium beim Namen nannte, in der die befreundeten Schlapphüte von den geplanten Schandtaten im Luftraum Wind bekamen, rechnen Insider mit dem Schlimmsten. „Agenten können auffliegen und exekutiert werden. Die Geheimdienstoperation gegen das Terror-Kalifat ist gefährdet.“ Und: „Die Russen, die in Syrien und im Kampf gegen den IS nicht auf unserer Seite sind, wissen nun, was wir wissen. Und von wem.“

Tenor des Weißen Hauses: Trump habe nichts verraten

Stimmt alles nicht, erklärte das Weiße Haus in einer ersten Reaktion und schickte ein hochkarätiges Verteidigungsbündnis an die öffentliche Front. General Herbert Raymond McMaster, nach dem wegen einer Russland-Lüge gefeuerten Michael Flynn auf dem heißen Stuhl des Nationalen Sicherheitsberaters und bereits bei Trump in Ungnade gefallen, sowie Außenminister Rex Tillerson ver bürgten sich in lauwarm klingenden Stellungnahmen dafür, dass der Präsident die Enthüllung nicht begangen habe.

Weder seien Geheimdienstquellen noch deren Methoden zur Sprache gekommen, sagte McMaster, und auch keine Militäroperationen, von denen die Öffentlichkeit nicht bereits gewusst hätte. Seine Stellvertreterin Dina Powell bekräftigte diesen Tenor.

Schwerwiegendere Vorwürfe als "Watergate"?

Dass alle Top-Vertreter Sachverhalte dementierten, die in der Berichterstattung der Medien gar nicht erwähnt worden waren, nährte in den Abendsendungen des US-Fernsehens den gegenteiligen Eindruck. Der bekannte jüdische Prominenten-Anwalt Alan Dershowitz, der Trump oft die Stange hält, sagte: „Das sind die schwerwiegendsten Vorwürfe, die jemals gegen einen amtierenden Präsidenten vorgetragen wurden.“ Schwerer als Watergate? Dershowitz nickte.

Zumal Trump-Büchsenspanner unmittelbar nach der Russen-Visite, die sich einen Tag nach dem immer noch ominösen Rauswurf von FBI-Chef James Comey zutrug, über die eigenen Geheimdienste CIA und NSA unverzüglich Schadensbegrenzung einleiteten, um den betroffenen alliierten Geheimdienst zu besänftigen. „Wenn alles so unverfänglich war, wie jetzt getan wird“, fragte ein Nutzer des Internetportals Buzzfeed, „warum dann diese Aufräumarbeiten?“

Folgt man Trump, war das gar nicht nötig – war doch alles korrekt. Amerikanisch-russische Terrorprävention. Normales Geschäft sozusagen. Auch die Russen winkten wie bestellt ab. „Fake News“, diktierte Putin-Sprecher Peskow seinen Abnehmern in den Block.

Bis hin zu Paul Ryan, Republikaner und die Nr. 3 im Staatsgefüge, verlangen viele Parlamentarier lückenlose Aufklärung – von Trump persönlich. Notfalls müssten, falls vorhanden, Mitschnitte der Gespräche mit den Russen im Oval Office offengelegt werden.

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