US-Wahlkampf Trump siegt in Indiana - Cruz zieht sich zurück

Washington · Nach seinem Sieg in Indiana und dem Rückzug seines aussichtsreichsten Widersachers Ted Cruz ist dem New Yorker Bau-Milliardär Donald Trump die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner kaum mehr zu nehmen.

Donald Trump (Mitte) bei einer Rede im Trump Tower in New York.

Donald Trump (Mitte) bei einer Rede im Trump Tower in New York.

Foto: dpa

Im amerikanischen Vorwahlkampf sind rund sechs Monate vor dem D-Day am 8. November die Würfel gefallen. Mit Ohios Gouverneur John Kasich bleibt nur noch ein Zählkandidat im Rennen, der auf dem Parteitag Ende Juli in Cleveland keine wesentliche Rolle spielen kann.

Aus heutiger Sicht wird Trump spätestens bei den letzten wichtigen Vorwahlen am 7. Juni in Kalifornien die erforderlichen 1237 Delegiertenstimmen hinter sich bringen. Dann heißt es: Das Spiel ist aus. Die republikanische Partei steht vor einem moralischen und intellektuellen Scherbenhaufen. Und möglicherweise vor der Zerreißprobe. Sie wird einen Kandidaten auf den Schild heben müssen, der bei erschreckend weiten Teilen der Partei nichts weniger als Übelkeit auslöst.

Auf demokratischer Seite hat Hillary Clinton trotz einer Niederlage auf dem Papier in Indiana (bei den Delegiertenstimmen teilt sie sich die Beute mit ihrem abgeschlagenen Rivalen Bernie Sanders) das Ticket für das Rennen um die Nachfolge von Präsident Barack Obama so gut wie in der Tasche.

Trump gegen Clinton also. Das bedeutet: Ein in Regierungsgeschäften unerfahrener Geschäftsmann trifft auf eine politisch versierte Frau, die Chefin im Oval Office werden will. Ein einmalige Konstellation. Wie gemacht für die Geschichtsbücher.

Was aber nun droht, ist eine Schlammschlacht, gegen die sich vorherige Wahlkämpfe in den USA als Kindergeburtstage ausnehmen werden. Schon darum wünschte man sich - wie Deus ex Machina - jetzt einen Überraschungskandidaten von Dritter Seite herbei, der die Duell-Konstellation aufbricht. Und damit die in den nächsten Wochen programmierte Ehrabschneiderei, die Amerikas Ansehen in der Welt weiter zerrütten wird.

Dafür bürgt allein schon Donald Trump. Was der 69-jährige Milliardär seit vergangenem Sommer abgeliefert hat, um die Schlagzeilen auf sich zu lenken, politikverdrossene Wähler aus dem Tiefschlaf zu wecken und seine Konkurrenz zu zermürben, ist an Stil- und Substanzlosigkeit schwer zu überbieten.

Trump, man muss es so undiplomatisch sagen, ist ein pathologischer Lügner, der in dem Moment an seine Tiraden und Beleidigungen glaubt, wenn sie in Umfragen und Wahlgängen Wirkung zu zeigen scheinen.

Jüngstes und vorläufig infamstes Beispiel: Um seinem Widersacher Ted Cruz, wahrlich kein politisches Sonnenscheinchen, den Todesstoß zu versetzen und die Gier vieler seiner Anhänger nach Verschwörungstheorien zu befriedigen, rückte er dessen Vater vor der Wahl am Dienstag in Indiana ohne jeden Beleg öffentlich in die Nähe des Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald. Und so ein Schmutzbuckel soll Anführer der freien Welt werden?

Ein Vorgeschmack, auf das, was das Trump-Lager demnächst gegen Hillary Clinton vom Stapel lassen wird. Das politische Publikum diesseits und jenseits des Atlantiks darf sich auf konstantes Fremdschäden einstellen.

Ihr, der ehemaligen First Lady, Senatorin und Außenministerin, spricht Trump in großkotziger Pose die Befähigung ab, das höchste Amt im Staate überhaupt ausüben zu können. Größer war die Hybris selten, die ein erwiesenermaßen unbedarfter Kandidat gegen seine politisch angreifbare aber anerkannt kompetente Konkurrenz ins Feld führte. Wird sie verfangen?

Trumps bisherige Wahlergebnisse ernüchtern jedenfalls jene, die noch vor wenigen Monaten überzeugt waren, dass ein Kandidat Trump am Ende mit Pauken und Trompeten scheitern würde.

Obwohl die Haltlosigkeit und Unverantwortlichkeit nahezu aller Vorschläge und Zustandsbeschreibungen des ehemaligen Moderators einer reißerischen Fernsehsendung hinreichend dokumentiert ist, laufen ihm die (Vor)Wähler weiter in Scharen zu. Millionen Amerikaner, anders ist das Phänomen kaum zu erklären, haben sich in eine Parallelwelt verabschiedet, in der weder Fakten zählen noch Augenmaß oder politischer Anstand.

Mit dem Gespür eines Teppichhändlers hat Donald Trump den über Jahrzehnte gewachsenen Hass auf das verkrustete etablierte Zwei-Parteien-System in Washington mit populistischen und teilweise volksverhetzenden Parolen (gegen Muslime und Latinos) kanalisiert und ausgebeutet. Er bietet sich als derjenige an, der den Augiasstall radikal reinigt. Dass die Mistgabel am Ende im Hinterteil von Millionen Amerikanern landen könnte, spielt offenbar keine Rolle.

Bei älteren, weißen und weniger solide gebildeten Wählern macht die radikale Rhetorik des Mannes, der Unberechenbarkeit zur neuen Staatsräson ausgerufen hat, Eindruck. Latinos, Afro-Amerikaner, Weiße mit Universitäts-Abschluss und Frauen, demographisch wichtige Wählergruppen, wenden sich mit Grausen ab.

Aber reicht das aus, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zuletzt wenige hunderttausend Stimmen Wahlen in Amerika entschieden haben? Was, wenn es Trump gelingt, die ihn tragende Denkzettel-Euphorie der Vorwahlen bis in den Spätherbst zu verlängern? Was, wenn er Millionen Karteileichen an die Wahlurnen lockt, die sich längst aus dem demokratischen Prozess verabschiedet hatten?

Hillary Clinton wird - zumal als Ikone des Establishments, zumal als wenig beliebte und kühl wirkende Mechanikerin der Macht - Mühe haben, anfällige Wähler in der Mitte der Gesellschaft davon zu überzeugen, dass Donald J. Trump Amerika und der Welt in jeder Hinsicht zum Schaden gereichen würde.

Daran ändert auch der aktuelle Befund der Demoskopen nichts, die der Gattin des früheren Präsidenten Bill Clinton einen durchschnittlich zweistelligen Prozentvorsprung mit Blick auf den Wahltag im Herbst attestieren.

Bis dahin kann und wird noch viel passieren. Innenpolitische Enthüllungen und außenpolitische Zwischenfälle können die für kleinste Eruptionen anfällige öffentliche Meinung in den USA im Handumdrehen verändern.

Die Kern-Frage ist, ob das Gros der Wähler rechtzeitig erkennt, dass Amerika es sich und er der Welt nicht zumuten sollte, einen Mann an die Schalthebel der Macht zu schicken, der seinem Wesen nach über die emotionale und intellektuelle Reife eines verzogenen Teenagers nie hinaus gekommen ist. Trump will Amerika "wieder groß machen". Er ist und bleibt ein kleines Licht,.

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