Vorwürfe gegen US-Präsident Top-Diplomat belastet Donald Trump schwer

Washington · Angeblich hielt der US-Präsident Donald Trump Militärhilfe für die Ukraine zurück, um seinem Rivalen Joe Biden Schaden zuzufügen.

Auf dem Weg ins Washingtoner Capitol: Botschafter William B. Taylor, begleitet von Polizisten, bevor er im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses gegen Präsident Donald Trump auspackte.

Auf dem Weg ins Washingtoner Capitol: Botschafter William B. Taylor, begleitet von Polizisten, bevor er im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses gegen Präsident Donald Trump auspackte.

Foto: AP/J. Scott Applewhite

Es könnte ein Meilenstein auf dem langen Weg des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump gewesen sein. Mit der detailgenauen Aussage des geschäftsführenden US-Botschafters in der Ukraine bröckelt die Verteidigungslinie des Präsidenten. Der hatte bislang behauptet, es gebe keine Beweise, dass er Militärhilfe für Kiew an ukrainische Ermittlungen gegen seinen Rivalen Joe Biden knüpfte. William B. Taylor, ein altgedienter Diplomat, hat am Dienstag das Gegenteil belegt. Demokraten wie Stephen Lynch, ein Kongressabgeordneter aus Massachusetts, sprechen denn auch von einem Wendepunkt der Impeachment-Saga.

Es hat ein paar Stunden gedauert, bis man nachlesen konnte, was der ranghöchste US-Diplomat in Kiew hinter verschlossenen Türen im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses preisgab. Zuerst veröffentlicht von der Website „Lawfare“, danach auch von der „Washington Post“, lässt Taylors Aussage nur den Schluss zu, dass unbestritten ist, was Trump als Teil einer Hexenjagd auf ihn bezeichnete.

Demnach legte der Mann im Oval Office tatsächlich Militärhilfe auf Eis, um den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij unter Druck zu setzen. Die Freigabe der 391 Millionen Dollar knüpfte er an die Zusage Kiews, mit Nachforschungen gegen Joe Biden zu beginnen, der 2020 sein Wahlrivale sein könnte.

Nach dem Willen Trumps, zitierte Taylor aus Gesprächsnotizen mit Eingeweihten, sollte Selenskij „an ein Mikrofon treten“ und ankündigen, dass er gegen Biden und dessen Sohn Hunter ermitteln lasse. Solange er dies nicht tue, komme man nicht weiter, erklärte Gordon Sondland, der offenbar zentral mit der Ukraine betraute EU-Botschafter der USA, seinem Kollegen in Kiew am Telefon. Trump sei Geschäftsmann und wenn ein Geschäftsmann jemandem, der ihm etwas schulde, einen Scheck ausstelle, bitte er ihn, seine Schulden zu begleichen, ehe er den Scheck unterschreibe.

Taylor sah das anders. „Ich denke, es ist verrückt, Militärhilfe im Tausch gegen Hilfe für eine politische Kampagne zurückzuhalten“, protestierte er bei Sondland, einem Unternehmer, der mit Boutiquehotels ein Vermögen scheffelte, bevor er nach Brüssel wechselte.

Der 72-jährige Diplomat steht nicht im Verdacht, so etwas wie ein willfähriger Handlanger der Opposition zu sein – oder aber ein Verbitterter, der alte Rechnungen zu begleichen hat. Er ist ein Zeuge, dessen Glaubwürdigkeit nicht einmal Freunde Trumps in Zweifel ziehen können. Bereits von 2006 bis 2009 war er Botschafter in der Ukraine, nominiert vom Republikaner George W. Bush. Oft war er an Brennpunkten internationaler Politik im Einsatz, in Afghanistan, im Irak, als Nahostbeauftragter. Einst Absolvent der Militärakademie West Point, wurde er mit einer Luftlandedivision nach Vietnam beordert. Danach schlug er eine zivile Beamtenlaufbahn ein.  Seit 50 Jahren diene er seinem Land, betonte Taylor in seinem 15-Seiten-Statement.

       Mit der Gründlichkeit eines guten Diplomaten skizzierte er vor den Abgeordneten, was er ab Mitte Juni in Kiew erlebte, wo er interimistisch die Nachfolge von Marie Yovanovitch antrat, der maßgeblich auf Betreiben von Trump-Anwalt Rudy Giuliani, geschassten Botschafterin.

Offizielle amerikanische Politik sei es, der jungen ukrainischen Demokratie in ihrem Kampf gegen die „russische Aggression“ beizustehen, schrieb Taylor. Mit der Zeit aber habe er verstanden, dass es neben dem offiziellen einen zweiten Strang gebe, einen irregulären, informellen, der das Verhältnis zur Ukraine fundamental untergrabe. Für den stünden Emissäre wie Sondland, wie Kurt Volker, Sondergesandter für die Ukraine, wie der Energieminister Rick Perry und Giuliani, der ehemalige Bürgermeister New Yorks.

Auf diesem zweiten Kanal habe Trump Selenskij zu verstehen gegeben, dass ein bereits im Mai in Aussicht gestelltes Treffen im Weißen Haus nur dann über die Bühne gehen könne, wenn Selenskij gegen Burisma aktiv werde, einen ukrainischen Gaskonzern, dessen Aufsichtsrat Joe Bidens Sohn Hunter eine Zeit lang angehörte. Mitte Juli, also wenige Tage vor einem Telefonat Trumps mit Selenskij, so Taylor, habe er das begriffen.

Später habe er auch begriffen, dass nicht nur Selenskijs Reise nach Washington, sondern auch die Freigabe des zurückgehaltenen Hilfspakets von Ermittlungen gegen die Bidens abhängig gemacht wurde. „Sagen wir jetzt, dass Militärhilfe und WH-Treffen (WH steht für Weißes Haus, d.Red.) an Ermittlungen gebunden sind?“, fragte er am 1. September in einer SMS an Sondland. Worauf dieser ihm eine Woche später auseinandersetzte, der ukrainische Staatspräsident müsse „reinen Tisch machen“, sonst aber herrsche Stillstand. Trump bestehe darauf.

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