Merkel besucht die USA Trumps Blick auf Deutschland wird milder

Washington · Vor dem Besuch von Angela Merkel in Washington zeichnet sich ab, dass die starken Worte des US-Präsidenten Vergangenheit sind. Kontroverse Duftmarken will das Weiße Haus vor der Ankunft der Kanzlerin am späten Montagabend nicht setzen.

Gipfeltreffen: Trump und Merkel reden am Dienstag in Washington miteinander.

Gipfeltreffen: Trump und Merkel reden am Dienstag in Washington miteinander.

Foto: AFP

Als Kandidat warf Donald Trump Angela Merkel vor, sie habe mit ihrer „wahnsinnigen“ Flüchtlingspolitik Deutschland „ruiniert“. Das Land seiner Vorfahren sei „völlig destabilisiert“, sagte er im Wahlkampf. Seinen Anhängern trichterte er ein, dass seine demokratische Rivalin Hillary Clinton „die Angela Merkel Amerikas“ werden wolle. Deutschland als abschreckendes Beispiel?

Dass Donald Trump als US-Präsident an seinen umstrittenen Ferndiagnosen und Behauptungen öffentlich festhält, wenn laut New York Times „der große Störer auf die letzte Verteidigerin der liberalen Weltordnung trifft“, gilt als so gut wie ausgeschlossen. Vor der Visite der Bundeskanzlerin am Dienstag in Washington stellt das Weiße Haus Olivenzweige ins Fenster. „Das wird eine warmherzige und sehr positive Begegnung“, erklärten drei hochrangige Regierungsoffizielle gegenüber Journalisten und gaben mit einem Satz den Takt vor: „Wir streiten nicht mehr über die Vergangenheit.“

Dass der Blick auf Deutschland oberflächlich betrachtet milder ausfällt als noch vor einem halben Jahr, wird klarer, wenn man die mögliche Themenliste des netto nicht mal 18 Stunden währenden Aufenthalts der Kanzlerin anschaut.

Sollen die Deutschen ihre Grenzen strikter sichern? „Ist Sache Deutschlands“. Wird der Präsident nach dem „Brexit“ Großbritanniens weiteren EU-Mitgliedern den Austritt nahelegen? Nächste Frage. Überwacht die NSA (wie einst unter Vorgänger Obama) auch unter Donald Trump das Handy der Kanzlerin und wird – siehe CIA-Enthüllungen – auch über Cyberabwehr gesprochen? „Wir kommentieren geheimdienstliche Aktivitäten grundsätzlich nicht.“ Zum zweiten Punkt: „Bestimmt ja.“ Was wird eigentlich aus dem auf beiden Seiten des Atlantiks untergepflügten Handelsabkommen TTIP? „Wir haben andere Prioritäten und noch keine abschließende Meinung dazu.“

Stattdessen: Gunstbezeugungen. Etwa für das große Engagement Deutschlands im Anti-Terrorkampf sowie in Afghanistan. Und hohe Erwartungen. Präsident Trump sei vor dem ersten persönlichen Treffen „beeindruckt von Merkels Führungsstärke“. Auch darum werde er „sehr interessiert zuhören“, um von der großen Erfahrung der deutschen Regierungschefin mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu profitieren. Und um aus erster Hand zu hören, welche Rolle sich die Kanzlerin als europäische Führungsfigur im weiter schwelenden Ukraine-Konflikt von Amerika wünscht.

Was den Handel angeht – Trumps Leib- und Magenthema samt der damit verbundenen Facetten wie Strafzöllen und Euro-Stärke – wollen Trumps Leute nichts vorwegnehmen. „Wir erwarten eine offene und robuste Diskussion.“ Aber: „Wir sehen natürlich den Handelsüberschuss Deutschlands.“ Ein Thema, bei dem Merkel auch mit Hilfe der mitreisenden Konzernbosse von Siemens und BMW dagegenhalten will.

Die Sorge Berlins, dem politischen Seiteneinsteiger die innere Mechanik der Europäischen Union mit seiner ganz auf die EU-Kommission zugeschnittenen Verhandlungsautorität noch genauer erläutern zu müssen, scheint nicht mehr berechtigt. „Wir können keine bilateralen Handelsabkommen mit Deutschland haben“, sagt ein Trump-Offizieller, „wir müssen es mit der EU machen.“

Dezidiert an die Adresse Berlins geht dagegen die abermalige Erinnerung, schon bald deutlich mehr Geld in die Nato-Gemeinschaftskasse zu zahlen. Dass Deutschland „entschlossen“ sei, bis 2024 die Zielmarke von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben (statt heute 1,2 %) sei „erfreulich“. Berlin müsse hier als Führungsnation „vorbildlich“ auf andere Nato-Länder einwirken, die ebenfalls noch zu wenig ins Militärische investierten.

Kontroverse Duftmarken, wie sie Trumps Chefberater und Brexit-Fan Stephen Bannon zuletzt mehrfach hinterließ, will das Weiße Haus vor der Ankunft der Kanzlerin am späten Montagabend nicht setzen. Was vielleicht auch darauf zurückgeführt werden könne, dass Merkels Chefberater Christoph Heusgen und Lars-Hendrik Röller vor wenigen Tagen im Weißen Haus bei der Vorbereitung des Treffens einen wichtigen Ansprechpartner in Trumps Schwiegersohn Jared Kushner gefunden hätten, berichten Diplomaten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort