Präsidentenwahl in Tunesien Tunesiens neuer starker Mann

MADRID · Er verdrängte in der ersten regulären Parlamentswahl Tunesiens die Islamisten von der Macht, wird die neue Regierung bestimmen und hat auch noch gute Chancen, in der Präsidentenwahl im November Staatschef zu werden: Der 87-jährige Politikveteran Beji Caid Essebsi, Chef der weltlichen Partei Nidaa Tounes, gilt als neuer starker Mann Tunesiens.

Und er verspricht den elf Millionen Tunesiern, welche vor knapp vier Jahren mit ihrer arabischen Revolution den Diktator Zine el Abidine Ben Ali verjagten, "einen fortschrittlichen Staat des 21. Jahrhunderts".

Große Worte für diesen betagten Anwalt, der in Tunesien bislang nicht als Vorzeigedemokrat auffiel. Und der kein Vertreter des "arabischen Frühlings" ist, der vor allem von jener hoffnungslosen, jungen Generation getragen wurde, die bei ihren Protesten nach Arbeit, Demokratie und Freiheit rief. Essebsi gilt eher als Repräsentant der alte Garde: Er regierte schon unter dem autoritären Regime des ersten Staatspräsidenten Habib Bourguiba als Innenminister mit.

Und er diente unter dem despotischen Nachfolger Ben Ali als Botschafter, Abgeordneter sowie als Parlamentspräsident, bevor er 1994 in der Versenkung verschwand. Immerhin machte er sich 2011, unmittelbar nach der Revolution, kurzfristig als Interimspremier verdient, bevor eine gewählte Übergangsregierung unter Führung der Islamisten die Macht übernahm.

Nun feiert das frühere Mitglied der Ben-Ali-Einheitspartei RCD ein Comeback. In der Parlamentswahl Ende Oktober siegte Essebsis erst 2012 gegründete Partei Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens) mit 39 Prozent. Damit holte Nidaa Tounes 85 der 217 Parlamentssitze. Der stärkste politische Rivale, die moderate islamistische Ennahda-Partei, musste sich mit knapp 32 Prozent und 69 Sitzen begnügen.

Den Rest der Stimmen teilen sich kleinere Parteien. Für die Parlamentsmehrheit, die bei 109 Mandaten liegt, wird Nidaa Tounes nun eine Koalition bilden müssen. Die Wahlbeteiligung lag nur bei rund 60 Prozent - vor allem junge Menschen waren offenbar enttäuscht den Urnen ferngeblieben.

Zweifellos verschaffte die umstrittene Islamisierung der Gesellschaft unter der Ennahda-Übergangsregierung der säkularen Nidaa-Partei jetzt erheblichen Auftrieb: Alte Regimemitglieder, Unternehmer wie Gewerkschafter sammelten sich in Nidaa, welche sich vor allem als Anti-Islamistenpartei präsentierte. "Was uns von den Islamisten trennt, sind 14 Jahrhunderte", sagte Essebsi mit Blick auf die Gründung des Islam im siebten Jahrhundert. Der Islam ist in Tunesien Staatsreligion, doch Essebsi tritt für eine Trennung von Glauben und Politik ein.

Nun wird Essebsi zeigen müssen, dass er als altes Kadermitglied in der Lage ist, Tunesien tatsächlich in eine neue Zukunft zu dirigieren. Der neue starke Mann Tunesiens stellte klar, dass eine Koalition nur mit Parteien der "demokratischen Familie" in Frage komme. Und zu dieser politischen Familie zählt Essebsi die in der Wahl unterlegenen Islamisten zweifellos nicht.

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