Bundespräsident TV-Duell in Österreich: "Beide blamiert, Amt beschädigt"

Wien · Polit-Entertainment unter der Gürtellinie: Österreichs Spitzenkandidaten für das Bundespräsidentenamt beharken sich bei einer TV-Debatte. Beide hätten sich blamiert, resümieren Beobachter.

Eine Woche vor der entscheidenden Stichwahl haben sich die beiden Präsidentschaftskandidaten in Österreich in einem TV-Duell einen unerwartet aggressiven Schlagabtausch geliefert.

Der Auftritt im Privatsender ATV sei zur Peinlichkeit geraten, hieß es am Montag in Kommentaren und sozialen Medien.

In der 45-minütigen Sendung ohne Moderator, der die Streithähne hätte dämpfen können, gingen sich der von den Grünen unterstützte Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen (72) und der rechtspopulistische Politiker Norbert Hofer (45) von der FPÖ hart gegenseitig an.

Von einem "Schlamm-Catchen" sprachen Politikexperten, die den Auftritt der Kandidaten am Sonntagabend analysierten. "Beide blamiert, Amt beschädigt", sagte Politikberater Thomas Hofer. Das sei "unterstes Niveau" gewesen, befand das Boulevardblatt "Kronen-Zeitung" und fragte: "Und die wollen in die Hofburg?"

Einen wesentlichen Teil der Sendung nahmen Vorwürfe darüber ein, was jeweilige Unterstützer des anderen in sozialen Netzwerken an Beleidigungen gepostet hatten. Themen wie das Verhältnis zur EU, die Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit und die Flüchtlingskrise spielten eine weniger prominente Rolle - oder führten jeweils dazu, dass die Politiker sich immer mehr in die Haare gerieten.

Immer wieder schien die Grenze zur Verunglimpfung verbal überschritten: "Frechheit", "Nachplapperer", "Lügner", "Oberlehrer". Van der Bellen ließ sich sogar dazu hinreißen, dem Kontrahenten den "Scheibenwischer" zu zeigen, wie die österreichische Nachrichtenagentur seinen Griff an die Stirn nannte.

Die Zuschauer hätten ein "rhetorisches Freistilringen" erlebt, fand APA. "Ohne Moderation und ohne inhaltlichen Vorgaben lieferten sich die möglichen Staatsoberhäupter auf ATV einen dreiviertelstündigen Schlagabtausch, der von beiden Seiten angriffig und untergriffig geführt wurde."

Der Sender hatte ein zuletzt vor mehreren Jahrzehnten verwendetes Format gewählt, das es den Kandidaten ermöglicht, ohne Vorgaben über Themen zu sprechen, die ihnen am Herzen liegen. Doch wirklich nutzen konnte oder wollte das offenkundig keiner der beiden Präsidentschaftsanwärter.

Van der Bellen bemühte sich 45 Minuten lang, vor Hofers autoritären Zügen zu warnen. Dieser wiederum schilderte seinen Kontrahenten als "Lebensverlängerer des Systems" und hielt ihm vor: "Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen."

Je länger die Debatte dauerte, desto deutlicher sank das Niveau. Eigentlich hätten doch sowohl Hofer als auch Van der Bellen als besonnen gegolten, wunderte sich die "Kronen-Zeitung". "Erstaunlich, wie sich Politiker eines solchen Formats dann in einer Live-Sendung zu dermaßen untergriffigen Verbalattacken hinreißen ließen."

Van der Bellen versuchte, die Warnung rüberzubringen, dass mit Hofer als Staatsoberhaupt Österreich in autoritäre Verhältnisse abrutschen werde. Hofer plane bereits, die Regierung zu entlassen und Neuwahlen anzustreben, bei denen dann die rechtspopulistische FPÖ punkten solle. "Es ist eine Richtungsentscheidung zwischen einem kooperativen Stil und einem autoritären Stil." Hofer konterte, das sei "Angstmache der Grünen". Vor der Sendung hatte er noch gesagt: "Wir versprechen, dass wir uns gut benehmen werden."

"Unmoderierte Politikerdiskussionen funktionieren nicht", resümierte der Wiener Politikwissenschaftler Hubert Sickinger im Kurznachrichtendienst Twitter. In einem anderen Tweet hieß es: "Die beiden senken gerade die Wahlbeteiligung auf 20 Prozent."

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