Ukraine-Krieg Warum der UN-Generalsekretär keinen Draht zu Putin hat

Genf · UN-Generalsekretär Guterres hat bislang keine wirksame diplomatische Strategie gegen die Aggression im Ukraine-Krieg entwickelt. Er sprach nicht einmal persönlich mit Wladimir Putin. Warum?

 UN-Generalsekretär Guterres trägt bislang nicht aktiv zur Beilegung des Kriegs in der Ukraine bei.

UN-Generalsekretär Guterres trägt bislang nicht aktiv zur Beilegung des Kriegs in der Ukraine bei.

Foto: AP/Richard Drew

Ein Trip in den Kongo? Ja. Als sich die Kriegsgefahr in Europa zuspitzte, plante UN-Generalsekretär António Guterres, in die Demokratische Republik Kongo aufzubrechen. Letztlich musste er seine Reise in das afrikanische Land aber abblasen. Ein UN-Sprecher kündigte die Rückkehr des Generalsekretärs in das New Yorker Hauptquartier für den 22. Februar an, das geschehe „im Lichte“ der sich verschlechternden Ukraine-Lage. Am 24. Februar dann startete Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg auf das Nachbarland.

Guterres wirkt machtlos

Die unglücklichen Reiseplanungen spiegeln die diplomatische Wirkungslosigkeit des UN-Generalsekretärs im Ukraine-Konflikt wider. Immerhin dient er derjenigen Organisation, die „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit“ wahren soll. Und nicht wenige Experten warnen, dass Putins Aggression in einen Weltenbrand eskalieren könnte. Zwar sprach Guterres mehrmals Klartext, verurteilte den Putin-Einmarsch als „Verletzung der UN-Charta“. Der Portugiese prangerte das „entsetzliche menschliche Leid“ an und hielt fest: „Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.“

Aber bislang sind entschlossene Initiativen des Generalsekretärs, das Blutvergießen zu stoppen, nicht zu erkennen. Guterres schaffte es noch nicht einmal, einen direkten Draht zu Putin aufzubauen. Die Frage dieser Zeitung, ob Guterres seit dem unheilvollen 24. Februar mit Putin telefoniert habe, verneinte ein UN-Sprecher am Donnerstagabend (24.März). ­­Guterres sprach nach eigenen Angaben nur „mit einer Reihe von Führungspersönlichkeiten, die in permanentem Kontakt mit Präsident Putin stehen“.

Bislang gutes Verhältnis zwischen Guterres und Putin

Zudem hielt der Guterres-Sprecher fest: „Derzeit haben wir keine Reisepläne nach Europa.“ Diplomaten und UN-Experten fordern aber: Guterres müsste so schnell wie möglich versuchen, persönlich als Vermittler aufzutreten. Und zwar vor Ort, in Moskau und in Kiew. „Es ist längst überfällig, dass sich der UN-Generalsekretär António Guterres viel kräftiger einmischt“, verlangt der US-amerikanische Historiker Stephen Schlesinger. Ein UN-Diplomat, der anonym bleiben will, betonte: Angesichts der Lähmung des Sicherheitsrates und der relativen Bedeutungslosigkeit der Vollversammlung bleibe der UN „nur der General­sekretär, um als ­­Makler zwischen den verfeindeten Parteien aufzutreten“.

­­Während des russischen Krieges in der Ukraine erscheint es aber fraglich, ob Putin Guterres überhaupt als Vermittler akzeptieren würde. Denn die Verurteilungen der russischen Aggression durch Guterres entfachten im Kreml unbändigen Zorn. Bis zum vorigen Jahr galt das Verhältnis zwischen Guterres und Putin noch als fast unbelastet. Um Putins Ja zu seiner Wiederwahl als UN-Generalsekretär zu sichern, weilte Guterres im Mai 2021 in Moskau. Er und Putin hätten die Wichtigkeit von „Multilateralismus, Solidarität und Kooperation“ hervorgehoben, hieß es in einem UN-Kommuniqué. Auch warteten die Russen mit einer besonderen Geste auf: Guterres erhielt die Ehrendoktorwürde des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen. Es ist die Kaderschmiede für Putins Diplomaten.

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