Historisches Erbe der Südstaaten Die USA streiten über Umgang mit Denkmälern

Washington · Im Süden der USA läuft eine Auseinandersetzung um das historische Erbe des Bürgerkriegs und dessen Protagonisten. Im Zentrum stehen Statuen bedeutender Feldherren des Südens, die auch als Namenspate für Militärbasen fungieren.

 Protest gegen den General: In Richmond demonstrieren Bürger gegen die Statue von Robert E. Lee.

Protest gegen den General: In Richmond demonstrieren Bürger gegen die Statue von Robert E. Lee.

Foto: dpa/Steve Helber

Für Chelsea Higgs Wise ist der Fall klar. Es muss weg, das Denkmal, auf dessen gewaltigem Sockel Robert E. Lee im Zentrum von Richmond in die imaginäre Ferne reitet. Im amerikanischen Bürgerkrieg war Lee der bekannteste Kommandeur der Südstaaten, ein General, der den Armeen des Nordens einige schwere Niederlagen zufügte, am Ende jedoch, im April 1865, die Kapitulationsurkunde unterschrieb. Während ihn manche noch heute als militärisches Genie feiern, spricht Higgs Wise, Radiomoderatorin und Aktivistin der Bewegung „Black Lives Matter“ (Schwarze Leben zählen) in Richmond, von einer Symbolfigur des Rassendünkels.

     Lee, sagt sie am Telefon, stehe für jenes weiße Überlegenheitsgefühl, in dessen Namen Afrikaner millionenfach versklavt wurden, auch ihre aus dem heutigen Benin verschleppten Vorfahren. „Solange du aufschauen musst zu diesem Mann auf seinem Sockel, musst du aufschauen zu einer Ikone des Überlegenheitsdenkens.“ So hoch wie ein Haus mit sechs Stockwerken, dominiert das Reiterstandbild einen Boulevard namens Monument Avenue, die prachtvollste Straße der Stadt Richmond, die von 1861 bis 1865 die Kapitale der Südstaaten-Konföderation war. „Wie der Aufseher einer Plantage, der von hohem Ross herabschaut auf seine Sklaven“, beschreibt Chelsea Higgs Wise, wie der Koloss auf sie wirkt.

Eine Geste zur Heilung alter Wunden

Unter dem Eindruck der Proteste nach dem Tod George Floyds hat Ralph Northam, der Gouverneur Virginias, die Demontage der Bronzefigur angeordnet. Gerade jetzt brauche das Land Belege dafür, dass man aus der Vergangenheit lerne. Levar Stoney, Richmonds schwarzer Bürgermeister, sprach von einer Geste, die zur Heilung alter Wunden beitrage. Allerdings hat ein Richter mittlerweile einen Aufschub verfügt, vorerst für zehn Tage. Bei Chelsea Higgs Wise weckt es Befürchtungen, dass sich die Seilschaften des alten Südens noch so manches Manöver einfallen lassen, um die Anweisung zum Abriss auszuhebeln.

In Charlottesville, gut eine Autostunde von Richmond entfernt, thront Lee noch immer auf einem Granitsockel, ebenso wie Thomas „Stonewall“ Jackson, ein zweiter Bürgerkriegsgeneral. Im Februar 2017 hatte der Gemeinderat der Universitätsstadt beschlossen, beide Statuen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Eine Zeit lang hüllte man sie in schwarze Planen, bis ein Gericht urteilte, dass die Planen wieder abzunehmen seien. Higgs Wise hält es für denkbar, dass sich ein solcher Zickzacklauf in Richmond wiederholt. „Gut möglich, dass der alte Süden die Demonstrationen aussitzt, ohne tatsächlich zu handeln“, orakelt sie.

Die Mischung aus Misstrauen und Ungeduld hat dazu geführt, dass Protestierende den bronzenen Jefferson Davis, einst Präsident der Konföderierten, vom Sockel stürzten, von einem deutlich niedrigeren als dem, auf dem Lee dahinreitet.

Doch es sind nicht nur Denkmäler, an denen sich heftiger Streit entzündet. Auch zehn Militärstützpunkte, von Texas bis North Carolina, tragen die Namen von Befehlshabern der Südstaatenarmeen. Auf dem größten, Fort Bragg, sind Luftlandetruppen stationiert, die neben der Marine-Infanterie die schnelle Eingreiftruppe der USA bilden. Braxton Bragg, der Namenspate, kommandierte im Bürgerkrieg die „Army of Tennessee“, bis er 1863 die Schlacht um Chattanooga und kurz darauf seinen Posten verlor. Henry Benning, nach dem Fort Benning benannt ist, hatte bereits 1849, zwölf Jahre vor Kriegsbeginn, die Auflösung der amerikanischen Union gefordert, um die Sklaverei über die Zeit zu retten.

Es war David Petraeus, Veteran der Kriege im Irak und in Afghanistan, unter dem Präsidenten Barack Obama CIA-Direktor, der der Namensdebatte den bisher kräftigsten Impuls gab. Es sei schon eine besondere Ironie, schrieb er in der Zeitschrift „The Atlantic“, dass man Leute ehre, die zu den Waffen gegriffen hätten, um sich gegen die Vereinigten Staaten aufzulehnen und andere Menschen unterjochen zu können. „Nun ist, wenn auch verspätet, der Moment gekommen, in dem wir dies zum Thema machen.“ Im Pentagon schien man es ähnlich zu sehen, zumindest sprach sich Verteidigungsminister Mark Esper dafür aus, über Reformen nachzudenken. Bevor es konkret werden konnte, schloss Donald Trump jede Korrektur aus. Seine Regierung werde nicht einmal erwägen, Militärbasen umzubenennen, die Teil eines großen amerikanischen Erbes geworden seien, schrieb er in einem Tweet. Auf dem „heiligen Boden“ der Stützpunkte habe das Land seine Helden ausgebildet – und zwei Weltkriege gewonnen.

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