Konflikte UN-Ermittler: Tausende von Gefangenen in Syrien getötet

Genf/Damaskus · Erschlagen, zu Tode gefoltert oder ohne medizinische Hilfe an Krankheiten gestorben: UN-Ermittler beklagen das grauenhafte Schicksal von Inhaftierten in Syrien.

 "Stoppt das Töten in Syrien!" Demonrtanten protestieren in Genf gegen das Assad-Regime.

"Stoppt das Töten in Syrien!" Demonrtanten protestieren in Genf gegen das Assad-Regime.

Foto:  Martial Trezzini/Archiv

In Gefängnissen des Assad-Regimes sowie Haftlagern extremistischer Gruppen sind in Syrien nach UN-Angaben Tausende von Menschen gequält und getötet worden.

Folter, Vergewaltigungen, Morde und weitere Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien dort tägliche Praxis, erklärte die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission für Syrien am Montag in Genf in einem Bericht zu massenhaften Tötungen von Gefangenen. Viele andere Häftlinge seien durch Krankheiten infolge unhygienischer Zustände sowie die Verweigerung medizinischer Hilfe ums Leben gekommen.

Zehntausende Menschen seien im März 2011 von Sicherheitskräften der Regierung unter Präsident Baschar al-Assad inhaftiert worden, vor allem Männer und männliche Jugendliche von etwa 15 Jahren an, beklagte die vom brasilianischen Menschenrechtsexperten Paulo Sérgio Pinheiro geleitete Kommission.

Für Verhaftungen reiche dem Regime schon ein Verdacht, dass jemand mit der Opposition sympathisiere. Tausende seien seit ihrer Festnahme bis heute "verschwunden", stellt die Kommission in einem umfangreichen Bericht zur Tötung Gefangener in Syrien fest.

Der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der radikalislamischen Al-Nusra-Front werfen die Ermittler willkürliche Massenhinrichtungen von Soldaten sowie Exekutionen von Gefangenen nach Todesurteilen durch illegale Gerichte vor. Auch einige der eher gemäßigten Rebellengruppen hätten gefangene Soldaten nach illegalen Prozessen in ganzen Gruppen umgebracht.

"Die Verantwortlichen für diese Verbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", forderte Pinheiro. Dies müsse Teil einer politischen Lösung für den Syrien-Konflikt sein. "Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit", sagte die frühere Chefanklägerin des Internationalen Jugoslawien-Strafgerichtshofes Carla Del Ponte. Sie ist Mitglied der Kommission.

Eine konkrete Zahl getöteter Gefangener könnten die Ermittler allerdings nicht nennen, wie Pinheiro auf Anfrage einräumte. Er verwies darauf, dass die syrische Regierung seit Jahren die Einreise der UN-Experten verhindere. Der Bericht stütze sich auf Befragungen von 621 Zeugen außerhalb Syriens sowie per Telefon und auf Dokumente.

Ex-Gefangene hätten von grauenhaften Übergriffen und Zuständen in Gefängnissen berichtet. "Das Schreckgespenst einer Festnahme oder Entführung und der schier unvermeidliche Horror, der dann folgt haben Gemeinden überall im Land paralysiert", sagte Pinheiro.

In dem Bericht wird unter anderem das Schicksal eines 13-jährigen Jungen dokumentiert. Er sei im April 2011 in der Stadt Sayda festgenommen worden. Einen Monat später hab man seiner Familie seinen verstümmelten Leichnam zurückgeschickt.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft unterdessen Syrien und Russland vor, im syrischen Bürgerkrieg zunehmend Ziele mit der international geächteten Streumunition anzugreifen. In den vergangenen zwei Wochen hätten sie diese in 14 Fällen eingesetzt, erklärten die Menschenrechtler am Montag. Dabei seien mindestens 37 Menschen ums Leben gekommen, darunter sechs Frauen und neun Kinder. Allein während der auf Ende Februar vertagten Genfer Friedensgespräche habe es sieben Angriffe mit Streumunition gegeben.

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