70 000 auf der Flucht UN-Vertreter warnt vor "gigantischem Friedhof" in Aleppo

Genf/New York · Kämpfe, Luftangriffe, Blockade: Seit Wochen wächst das Leiden der Menschen in Aleppos Rebellengebieten. Die Regimeoffensive verschärft die Situation. Die Menschen sind unterernährt und ohne Hoffnung.

 Nur noch Geröll: der Osten Aleppos nach fast sechs Jahren Bürgerkrieg.

Nur noch Geröll: der Osten Aleppos nach fast sechs Jahren Bürgerkrieg.

Foto:  Sana

Nach der Flucht von Zehntausenden Menschen und heftigen Luftangriffen ist die humanitäre Lage in der umkämpften nordsyrischen Stadt Aleppo nach Angaben ranghoher UN-Vertreter dramatisch.

"Es gibt wohl nirgendwo auf der Welt schutzlosere Menschen als in Ost-Aleppo", sagte der UN-Nothilfekoordinator für Syrien, Jan Egeland. Auch andere ranghohe UN-Vertreter zeichneten ein düsteres Bild der Lage. Ohne Gegenmaßnahmen könne sich Aleppo in "einen gigantischen Friedhof" verwandeln, sagte Nothilfekoordinator Stephen O'Brien im UN-Sicherheitsrat.

Die Großstadt gehört im syrischen Bürgerkrieg zu den umkämpftesten Gebieten. Das Regime kontrolliert den Westen, oppositionelle Milizen den Osten Aleppos. Syriens Armee und ihre Verbündeten hatten jedoch in den vergangenen Tagen mehr als ein Drittel der bisherigen Rebellengebiete erobert. Der Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, sprach angesichts verstärkter Luftangriffe auf den Osten Aleppos von einer "humanitären Tragödie", die sich verschlimmere.

Besonders wichtig ist es nach UN-Angaben, genügend Unterkünfte in der Umgebung der Stadt zu schaffen. In den vergangenen Tagen seien knapp 27 000 Menschen geflohen, sagte Egeland. Nach anderen Angaben sind die Zahlen noch höher. So spricht die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte von rund 70 000 Menschen auf der Flucht.

Die UN sprechen mit Russland über eine Wiedereröffnung von vier humanitären Korridoren für die notleidende Bevölkerung Ost-Aleppos. Nach UN-Angaben machte Moskau ein entsprechendes Angebot. "So könnten wir mindestens 400 Verletzte herausbringen, sowie medizinische Versorgung und Lebensmittel hinein", erklärte Egeland.

Wegen einer Blockade des Regimes ist Ost-Aleppo seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Im November seien die Hilfslieferungen fast komplett gescheitert, sagte Egeland. Nach seinen Angaben haben nur acht Prozent der Eingeschlossenen Nahrung, Medikamente und Wasser erhalten. "Die Verzweiflung war noch nie so groß. Die Menschen sind müde, unterernährt und ohne jede Hoffnung." Vor der Offensive lebten rund 250 000 Menschen in dem hart umkämpften Osten Aleppos.

Bei Artilleriebeschuss auf Aleppos Rebellengebiete wurden am Donnerstag nach Angaben von Aktivisten vier Kinder einer Familie getötet. Die Menschenrechtsbeobachter und der oppositionelle Lokale Koordinierungsrat machten am Donnerstag das syrische Regime für den Angriff auf das Viertel Al-Maadi verantwortlich.

Zugleich gingen die heftigen Kämpfe weiter. In dem Stadtteil Scheich Said im Südosten der Stadt hätten Regierungsgegner die Angreifer wieder zurückgedrängt, erklärten die Menschenrechtler und Rebellen.

Nach den Gebietsverlusten schlossen sich Aleppos zersplitterte Rebellenmilizen Oppositionsmedien zufolge zu dem Bündnis Dschaisch Halab (Armee Aleppos) zusammen. Das solle dazu dienen, die Stadt und seine Einwohner "zu retten", meldete der TV-Sender Orient News.

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