Nato-Treffen in Washington USA betonen Deutschlands Aufgabe in der Allianz

WASHINGTON · Jedes Mitglied der Nato muss liefern, hat US-Außenminister Pompeo Deutschlands Versäumnisse unausgesprochen hervorgehoben. Die USA schießen bei dem Nato-Treffen in Washington scharf gegen Deutschland.

 Deutsch-französisches Tandem: die Außenminister Heiko Maas (rechts) und Jean-Yves Le Drian in den USA.

Deutsch-französisches Tandem: die Außenminister Heiko Maas (rechts) und Jean-Yves Le Drian in den USA.

Foto: dpa

Guter Polizist, böser Polizist. Und dann braucht die Polizei noch jemanden, den sie verhört beziehungsweise in die Mangel nimmt: Der wegen säumiger Zahlungen Hauptverdächtige heißt in diesem Fall Deutschland, vertreten durch Außenminister Heiko Maas. Die Rolle des guten Polizisten ist an Tag zwei dieses Nato-Treffens um den 70. Geburtstag der Allianz US-Außenminister Mike Pompeo zugedacht.

Pompeo macht in der Runde der 29 Kollegen unter Leitung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gleich am Morgen klar: „Jedes Mitglied muss liefern – für die Stärke unserer Allianz.“ Den Alliierten Deutschland nennt Pompeo an dieser Stelle namentlich nicht – so viel Diplomatie muss sein.

Das hatte zuvor schon der böse Polizist erledigt, US-Vizepräsident Mike Pence. Der Republikaner hatte betont, immer mehr Verbündete würden mittlerweile ihren Verpflichtungen nachkommen, doch einige Staaten blieben immer noch dahinter. Dann die Spitze gegen Berlin: „Und wie wir alle wahrgenommen haben, ist Deutschland ihr Anführer.“ Sein Appell: „Deutschland muss mehr tun.“

Dichtes Arbeitsprogramm

Maas darf sich angesprochen fühlen. Die Nato-Führungsmacht USA hat seit geraumer Zeit mit Deutschland ihren bevorzugten Prügelknaben. Maas reagiert gelassen: „Wir sind nicht die Einzigen, die das Zwei-Prozent-Ziel nicht erreichen. (…) Aber wir stellen uns unseren Herausforderungen. Und wir werden unser Wort halten“, sagt der SPD-Politiker, bevor er in den Konferenzsaal geht.

Es geht um den Zwei-Prozent-Anteil vom jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukt für Verteidigungsausgaben, den die Staats- und Regierungschefs 2014 verabredet haben und den eine große Gruppe von Nato-Staaten, darunter Deutschland, nicht erfüllt.

Das Arbeitsprogramm beim Nato-Treffen ist dicht: Lastenteilung im Bündnis, Verhältnis zu Russland, INF-Vertrag, Ukraine, Afghanistan, internationaler Terrorismus, Krise in der Schwarzmeer-Region. Tags zuvor hatte Maas bei einer Veranstaltung der Münchner Sicherheitskonferenz in Washington noch gesagt, Deutschland stehe zu seinen Zusagen, auch wenn deutsche Haushaltspolitik „manchmal schwer für Außenstehende zu verstehen ist: und nicht nur für sie!“

Zwischen Lob und Tadel

Stoltenberg versucht den Spagat zwischen Lob und Tadel. Gut: Deutschland habe wie viele andere Staaten in den vergangenen Jahren mehr Geld in die Verteidigung investiert. Schlecht: Es sei immer noch zu wenig. Mögliche Motivation für noch mehr Milliarden Euro: Man tue dies nicht wegen der USA, sondern weil die Welt unsicherer geworden sei.

Maas hat in den zurückliegenden Tagen viel über den Multilateralismus, die internationale Ordnung und über Lastenteilung geredet. Jetzt steht er in der Eingangshalle des US-Außenministeriums und sagt: „Die Nato ist eine große multilaterale Erfolgsgeschichte. Daran hat Deutschland seinen Anteil. Und das wird auch in Zukunft so sein.“ Es gehe auf dem Weg zum Zwei-Prozent-Ziel für Deutschland „weniger um eine Aufrüstungsaufgabe, sondern um eine Ausrüstungsaufgabe“. Dass die US-Kritik immer Deutschland treffe, sei „nachvollziehbar“, denn es gehe dort „um das meiste Geld“.

Klima ist belastet

Das Klima im Bündnis ist belastet. Doch deswegen eine Allianz gegen Donald Trump? Maas und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian würden so etwas nicht sagen. Sie sind in diplomatischer Mission und haben einen Plan. Wenn sich die große Staatenfamilie der Vereinten Nationen im September zur jährlichen Vollversammlung trifft, wollen Maas und Le Drian eine „Allianz der Multilateralisten“ aufstellen. „Es geht nicht gegen Präsident Trump. Es geht darum, dass die grenzenlosen Herausforderungen keine nationalen Antworten ertragen“, hat Maas tags zuvor noch in New York gesagt.

Vor den beiden Außenministern sitzen im französischen Haus der Columbia-Universität gut 100 Studierende. Kleiner Raum, großes Thema: „Kollektive Sicherheit und Multilateralismus heute.“ Le Drian sagt: „Aktuell durchlebt der Multilateralismus eine schwere Krise.“ Der Franzose spricht gar von einer „Zerstörung der multilateralen Welt.“ Maas sekundiert, verweist auf eine „neue Großmächtekonkurrenz“ und betont, man höre in letzter Zeit viel zu oft: „America first, Russia first, China first.“ Die Antwort darauf könne nur sein: „Europe united“. Diese Allianz der Multilateralisten, „ein breites Netzwerk überzeugter Teamspieler“, richte sich gegen niemanden.

Le Drian: „Jeder, der Mitglied werden will, kann Mitglied werden.“ Es sei denn, es sei jemand, der die multilaterale Ordnung aushöhlen wolle. Maas sagt noch: „Das Symbol unserer Außenpolitik ist die ausgestreckte Hand und nicht der erhobene Zeigefinger.“ Auch der gute und der böse Polizist sollen das ruhig wissen.

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