In Deutschland gefasst Verhaftung von Puigdemont spitzt Katalonienkonflikt zu

Madrid · Die am Wochenende eingeleitete europaweite Fahndung nach dem flüchtigen katalanischen Separatistenchef hatte schnellen Erfolg: Am Sonntag stoppten deutsche Polizisten den 55-Jährigen kurz nach der Einreise.

Die spanischen Behörden hatten am Freitagabend einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont ausgestellt, der sich zu dem Zeitpunkt in Finnland aufhielt.

Nach Angaben des Landespolizeiamtes Schleswig-Holstein in Kiel wurde Puigdemont „um 11.19 Uhr durch Einsatzkräfte der Autobahnpolizei in der Nähe der Bundesautobahn A7 festgenommen“. Spanische Medien berichteten, dass die Festnahme etwa 30 Kilometer südlich der dänischen Grenze zwischen den Orten Schuby und Jagel erfolgt sei. Laut der spanischen Nachrichtenagentur Efe griffen die Polizisten an einer Tankstelle zu. Puigdemont sei zusammen mit vier Personen in einer Großraumlimousine vom Typ Renault Espace und mit belgischem Kennzeichen gereist. Der Gruppe war auf der A7 Richtung Hamburg unterwegs und wollte dann weiter in die belgische Hauptstadt Brüssel fahren wollen, die rund 700 Kilometer entfernt liegt.Offenbar hatte die deutsche Polizei von den spanischen Sicherheitsbehörden einen Tipp bekommen.

Spaniens Geheimdienst habe Puigdemonts Bewegungen schon längere Zeit überwacht, meldete der öffentliche spanische Sender TVE. Der Zugriff sei bewusst in Deutschland und nicht in Dänemark erfolgt, weil die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden üblicherweise sehr gut funktioniere. Deswegen werden auch bei der Auslieferung keine Schwierigkeiten erwartet.Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Schleswig-Holsteins, Ralph Döpper, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass nun das zuständige Amtsgericht entscheiden müsse, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen werde. Es gilt als wahrscheinlich, dass Spanien beantragen wird, Puigdemont in Haft zu behalten, bis über das Auslieferungsgesuch entschieden ist.

Spaniens Oberster Gerichtshof will Puigdemont den Prozess machen

Am Sonntagnachmittag wurde der katalanische Separatistenchef zunächst in die Justizvollzugsanstalt Neumünster gebracht. Spaniens Oberster Gerichtshof hatte am Freitag Anklage gegen Puigdemont erhoben und angekündigt, ihm wegen Rebellion den Prozess zu machen. Den Anführern einer Rebellion drohen 15 bis 25 Jahre Haft. Die spanische Justiz wirft dem früheren Ministerpräsidenten Kataloniens vor, mit gesetzeswidrigen Methoden die Abspaltung der Region von Spanien angestrebt und damit gegen die Verfassung verstoßen zu haben; die Verfassung sieht die Unabhängigkeit einer Region nicht vor.

Am Freitagabend hatte der Gerichtshof in Madrid den internationalen Haftbefehl nach Finnland geschickt, wo sich Puigdemont in den letzten Tagen aufhielt. Doch das Haft- und Auslieferungsgesuch kam zu spät: Puigdemont gelang es, kurz zuvor das Land zu verlassen. Einen für Samstagnachmittag gebuchten Flug ließ Puigdemont verfallen. Am Airport Helsinki hätte ihn auch die finnische Polizei erwartet, welche von Samstag an die Flughäfen überwachte. Der Separatistenchef hatte sich noch am Samstag von einem unbekannten Ort per Twitter mit einer Durchhalteparole gemeldet: „Wir werden bis zum Ende kämpfen.“Mit dem Haftbefehl, mit dem Puigdemont europaweit zur Fahndung ausgeschrieben worden war, hatte Spaniens Gerichtshof einen neuen Anlauf unternommen, um den Separatistenführer festzusetzen. Bereits nach seiner Flucht aus Spanien im Herbst war ein Auslieferungsgesuch nach Belgien geschickt worden.

Weiteres Belastungsmaterial gegen Puigdemont

Damals standen die Ermittlungen am Anfang. Angesichts der Sorge, dass die belgischen Behörden die Überstellung verweigern könnte, wurde das Gesuch später zurückgezogen. Inzwischen sind die Ermittlungen abgeschlossen, und es scheint weiteres Belastungsmaterial gegen Puigdemont vorzuliegen.Insgesamt stellte das Gericht am Freitag sechs europäische Haftbefehle aus: Gegen Puigdemont und gegen fünf seiner Mitstreiter, die sich derzeit in Belgien, der Schweiz oder Schottland aufhalten. Zu den europaweit Gesuchten gehören vier Minister der im Herbst abgesetzten katalanischen Regierung und zudem die in die Schweiz geflohene Vizechefin der Separatistenpartei Esquerra, Marta Rovira.

Am Freitag hatte der Oberste Gerichtshof Anklage gegen 25 führende Separatisten erhoben, denen vorgeworfen wird, im Zuge ihrer Unabhängigkeitspolitik Gesetze gebrochen und Gerichtsentscheidungen ignoriert zu haben. Zudem wurden fünf Separatistenführer, die sich unter Auflagen auf freiem Fuß befanden, in Untersuchungshaft geschickt. Unter ihnen befand sich auch der Puigdemont-Vertraute Jordi Turull, dessen geplante Wahl zum katalanischen Ministerpräsidenten am Samstag wegen der Inhaftierung scheitere. Der Prozess gegen Puigdemont und zwölf seiner Vertrauten soll im Herbst starten.Bei der Regionalwahl im Dezember hatte die Separatisten eine knappe Mehrheit der Sitze erobert. Wenn bis zum 22. Mai keine Regierung zustande kommt, müssen Neuwahlen angesetzt werden. Am Freitagabend war es wegen der Festnahmen in Barcelona zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und der katalanischen Polizei gekommen.

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