Kommentar zur Rolle der Türkei in Syrien Verkalkuliert

Meinung | Istanbul · Der Feldzug im syrischen Afrin bereitet dem türkischen Präsidenten Erdogan immer mehr Probleme. Einen Monat nach Beginn des Einmarsches ist von einem strahlenden Sieg nichts zu sehen.

Gegen die Kurdenmiliz YPG geht es nur langsam voran, während die Verluste steigen. Erdogan hat Streit mit den USA und riskiert nun auch noch ein Eingreifen seines Erzfeindes, des syrischen Präsidenten Assad. Dennoch ist kaum zu erwarten, dass Erdogan in Afrin zum Rückzug blasen lässt.

Vielmehr dürfte der Präsident vor den anstehenden Wahlen in der Türkei versuchen, die wachsenden Schwierigkeiten innenpolitisch zu nutzen, indem er sich selbst und sein Land als Opfer von Ränkespielen feindlicher Mächte darstellt. Angesichts der weitgehenden Kontrolle seiner Regierung über die türkischen Medien und des weit verbreiteten Antiamerikanismus im Land wird ihm das möglicherweise auch gelingen. Der Afrin-Einmarsch wird von den allermeisten Türken unterstützt.

Doch mittel- und langfristig könnte es politisch teuer werden für die Türkei. Sie verstrickt sich immer tiefer in den syrischen Bürgerkrieg, bricht Brücken zum Partner USA ab, ist immer stärker auf Russland angewiesen und verstärkt den Kurdenkonflikt im eigenen Land.

Mit der Intervention in Afrin wollte Erdogan sich selbst und der Türkei eine Mitsprache bei Entscheidungen über die Zukunft Syriens sichern. Jetzt steht er vor einer möglichen Eskalation, mit der Ankara offenbar nicht gerechnet hat. Der Einmarsch zeigt die Grenzen der türkischen Möglichkeiten auf.

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