Überraschung in Brüssel Versöhnlicher Auftakt: Fahrplan für Brexit-Gespräche steht

Brüssel · Monatelang sprach man in London und Brüssel übereinander und heizte die Stimmung vor den Verhandlungen über den britischen EU-Austritt an. Doch deren Auftakt überrascht.

 Noch ist das Reisen einfach: Grenzbeamte am Londoner Flughafen Heathrow unter einem Grenzschild.

Noch ist das Reisen einfach: Grenzbeamte am Londoner Flughafen Heathrow unter einem Grenzschild.

Foto: Andrew Cowie

Nach der ersten Runde der Brexit-Gespräche verbreiten Großbritannien und die Europäische Union Optimismus. "Eine faire Vereinbarung ist möglich und viel besser als keine Vereinbarung", sagte EU-Unterhändler Michel Barnier nach mehr als siebenstündigen Gesprächen.

Der britische Brexit-Minister David Davis pflichtete bei: "Ich kann mit Freude berichten, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt."

Bei den äußerst komplizierten Sachfragen vor dem EU-Austritt Großbritanniens gab es noch keine Fortschritte. Doch einigten sich beide Seite auf einen Fahrplan für die Verhandlungen und auf die Topthemen. In beidem folgte Großbritannien der EU.

Am 23. Juni 2016 hatte eine Mehrheit der britischen Wähler dafür votiert, die EU nach mehr als 40 Jahren zu verlassen. Ende März beantragte Premierministerin Theresa May offiziell den Austritt. Damit begann die Frist bis Ende März 2019, um einen Vertrag über die Trennung und Eckpunkte für künftige Beziehungen abzuschließen.

Nun soll zunächst über die Rechte der EU-Bürger im Vereinigten Königreich und der Briten in der EU gesprochen werden sowie über die Abschlussrechnung für London, die inoffiziell auf bis zu 100 Milliarden Euro geschätzt wird. Auch über die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland sollen hochrangige Vertreter verhandeln.

Davis und Barnier nannten die irische Grenzfrage äußerst wichtig, aber auch besonders kompliziert. Die Bewahrung des Karfreitagsabkommens und die Durchlässigkeit der Grenze zwischen Irland und Nordirland seien die drängendsten Fragen, sagte Barnier. Das Karfreitagsabkommen von 1998 hatte Jahrzehnte der Gewalt zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland beendet.

Erst wenn die EU "ausreichende Fortschritte" bei den drei Themen feststellt, will sie ab Herbst über die künftigen Beziehungen und ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien reden. Ursprünglich wollte London alles auf einmal verhandeln.

Nun sagte Davis aber, der Ablauf entspreche genau den seit längerem formulierten Vorstellungen der britischen Regierung. Diese bleibe auch bei ihrer bisherigen Linie: Austritt aus der EU sowie aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion.

Bei den Brexit-Verhandlungen betonten beide Seiten den konstruktiven Geist. Schon zum Auftakt hatte Davis gesagt: "Obwohl zweifellos in den Verhandlungen Herausforderungen vor uns liegen, werden wir alles uns Mögliche tun, eine Vereinbarung zu treffen, die im besten Interesse aller Bürger ist".

EU-Unterhändler Barnier wiederholte vor und nach den Gesprächen seine seine Priorität: "Zuerst müssen wir die Unsicherheiten angehen, die der Brexit verursacht." Er versicherte nochmals, dass es nicht um eine Bestrafung Großbritanniens gehe. Emotionen sollten außen vor bleiben. Jeden Monat soll es künftig eine Verhandlungswoche geben. Die übrigen Zeit soll für Vor- und Nachbereitung zur Verfügung stehen.

Ziel der Brexit-Befürworter war, dass Großbritannien seine Politik selbst unabhängiger bestimmen und die Zuwanderung von EU-Bürgern begrenzen kann. May will ihr Land deshalb auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion herausführen. Davis bekräftigte diese Linie.

Die EU-Seite hält sie für wirtschaftlich riskant. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel forderte Großbritannien zum Verbleib im EU-Binnenmarkt auf. "Unsere Hoffnung ist, dass die Briten jetzt nach ihren Turbulenzen bei den Wahlen bereit sind, den sogenannten weichen Brexit auch zu verhandeln", sagte Gabriel in Luxemburg.

Die britische Regierung gilt als geschwächt, seit sie bei der Unterhauswahl vor zehn Tagen ihre Mehrheit eingebüßt hatte. Derzeit ringt sie um eine Zusammenarbeit mit der nordirischen DUP, um überhaupt weiter regieren zu können.

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