Eskalation in der Türkei Vorwürfe an Berlin

ISTANBUL · In der Türkei entwickelt sich die Eskalation im Kurdenkonflikt zu einem neuen Krieg. Kurz nach dem Tod von 16 türkischen Soldaten bei einem Angriff von PKK-Rebellen sind am Dienstag bei weiteren Angriffen bis zu 18 Polizisten ums Leben gekommen.

Die türkische Armee reagierte mit Luftangriffen auf Stellungen der Rebellen im benachbarten Nordirak und schickte Bodentruppen über die Grenze, um PKK-Einheiten zu jagen. In der türkischen Öffentlichkeit wurde der Vorwurf laut, die PKK setze bei ihren Anschlägen auf türkische Sicherheitskräfte auch Waffen aus Deutschland ein.

In der Nähe von Igdir am Berg Ararat im äußersten Osten der Türkei töteten die Rebellen mit einem im Straßengraben versteckten Sprengsatz 14 Beamte in einem vorüberfahrenden Polizeibus - dabei soll die PKK eine Tonne Sprengstoff benutzt haben. Bei Angriffen in anderen Landesteilen starben laut Medienberichten bis zu vier weitere Polizisten. In der Online-Ausgabe der Zeitung "Hürriyet" war von einem "verfluchten Dienstag" die Rede.

Bei einem PKK-Angriff auf einen Militärkonvoi bei Daglica in der Nähe der irakischen Grenze am Sonntag hatte die türkische Armee die schwersten Verluste seit Jahren erlitten. Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte gestern, der Staat werde den Terror der Kurdenrebellen mit Entschlossenheit beantworten.

Zugleich appellierte Erdogan an die Einheit aller Türken und warf einem Teil der Medien und der Opposition vor, ungerechtfertigte Vorwürfe an die Regierung zu richten; Kritiker halten Erdogan vor, er habe die derzeitige Gewaltwelle angefacht, weil er sich davon politische Vorteile bei den Parlamentsneuwahlen im November verspreche. Seit dem Kollaps des Waffenstillstandes zwischen dem türkischen Staat und der PKK Ende Juli sind bei Gefechten und Anschlägen mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen.

Nationalisten greifen Lokale der Kurdenpartei HDP an

Auch auf den türkischen Straßen eskaliert die Gewalt. In mehreren Landesteilen griffen Nationalisten die Vertretungen der legalen Kurdenpartei HDP an, die von Erdogan als politischer Arm der PKK kritisiert wird. Laut Presseberichten wurde ein junger Kurde in Istanbul erstochen, nachdem Rechtsextremisten hörten, wie er am Telefon Kurdisch sprach.

Trotz des Appells von Erdogan an das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Türken schürte ein Berater des Präsidenten zudem öffentlich Ressentiments gegen Christen. Burhan Kuzu, der wichtigste Rechtsberater des Staatschefs, forderte auf Twitter, die Leichen getöteter PKK-Kämpfer sollten untersucht werden. Denn dabei werde sich herausstellen, dass viele nicht beschnitten seien - und damit also keine Muslime. Rechtsnationalistische Kreise verbreiten seit Jahren die These, viele Mitglieder der PKK seien christliche Armenier.

Erdogan bekräftigte zudem den Vorwurf an die Europäer, sie unterstützten klammheimlich die PKK, obwohl die Rebellengruppe auch in der EU als Terrororganisation eingestuft wird. Der Westen lasse die Türkei im Kampf gegen den Terror alleine, sagte Erdogan dem US-Sender CNN. europäische Staaten gingen nicht gegen PKK-Funktionäre in ihren Ländern vor.

Gleichzeitig wurde der Vorwurf laut, deutsche Waffen seien bei der PKK gelandet und würden jetzt bei den tödlichen Angriffen auf türkische Soldaten benutzt. Deutschland hatte den nordirakischen Kurden unter anderem Milan-Panzerabwehrraketen für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) zur Verfügung gestellt. Die islamistische Zeitung "Vahdet" meldete, die PKK benutze Panzerfäuste aus deutscher Fertigung.

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