Ex-General der Bundeswehr zum Krieg in der Ukraine Waffen statt Verhandlungen

Bonn · Ex-Bundeswehrgeneral Egon Ramms fordert bei einer Veranstaltung in Bonn direkte Lieferungen in die Ukraine. Die Betrachtungsweise des ehemaligen Militärs lässt Erinnerungen an den Kalten Krieg aufleben.

Der damalige Bundeswehr-General Egon Ramms (links) im Jahr 2010 in Kabul.

Der damalige Bundeswehr-General Egon Ramms (links) im Jahr 2010 in Kabul.

Foto: picture alliance / dpa/S. Sabawoon

Der pensionierte Bundeswehrgeneral Egon Ramms hat sich gegen eine Friedens-Initiative und für die direkte Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine ausgesprochen. Das Verhalten der Bundesrepublik in dieser Frage sei nicht nur „beschämend“, sondern „strategisch falsch“, sagte der frühere Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command der Nato-Streitkräfte in einem Vortrag vor der Bonner Lese- und Erholungsgesellschaft im Haus der Bonner Evangelischen Kirche.

Da in den osteuropäischen Nato-Staaten kaum noch altes Kriegsgerät zum sogenannten „Ringtausch“ verfügbar sei, müsse Deutschland künftig moderne Waffen wie Panzer in die Ukraine liefern. Angebliche Lieferengpässe seien lediglich ein Vorwand. Ramms selbst hat dazu seine Meinung verändert. Noch im März hatte er im Rahmen einer Online-Veranstaltung der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Bonn die Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung durch Nato-Staaten als einen „Ritt auf der Rasierklinge“ bezeichnet.

Längerer Stellungskrieg möglich

Mit einer Anzahl von Lagekarten aus dem ukrainischen Generalstab erläuterte Ramms den rund 75 Zuhörenden den bisherigen Kriegsverlauf bis Ende August. Mit einem Kriegsende noch in diesem Jahr rechnet er nicht. Mit „enormer Kampfmoral“ und westlichen Einsatz-Strategien stehe die ukrainische Armee weiterhin der russischen Übermacht gegenüber. Allerdings seien Rückzüge der Russen etwa aus der Region Kiew allein strategischer Natur und die Einsatzkräfte anschließend neu aufgestellt worden. Wesentliche Geländegewinne seien seit dem Frühjahr weder auf russischer, noch auf ukrainischer Seite erzielt worden. Zerstörte Brücken über den zentralen Fluss Dnepr könnten den russischen Nachschub in die Westukraine erheblich behindern. Ein längerer Stellungskrieg sei dennoch möglich, da Russlands Staatschef Wladimir Putin kein Abrücken von seinen Kriegszielen erkennen lasse. Neben Gebietsabtretungen solle nach dessen Vorstellungen die gesamte Ukraine, das nach Russland zweitgrößte Land Europas, russisches Einflussgebiet werden.

Die militärstrategische Betrachtung des 2010 in den Ruhestand getretenen Generals ließ in der Wortwahl Erinnerungen an den Kalten Krieg wach werden. Ramms verwies nicht nur auf den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands, das 1994 und 1997 die Souveränität der Ukraine vertraglich anerkannt hatte. Das ukrainische Volk verteidige vielmehr Demokratie, Werte und Rechtsstaatlichkeit des Westens, erklärte Ramms, auch wenn von einer Demokratie westlichen Zuschnitts in der Ukraine bislang keine Rede sein kann. Forderungen nach Verhandlungen mit Russland erteilte der Ex-General eine Absage und lobte in diesem Zusammenhang die Position von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. „Wir haben kein Recht, das ukrainische Volk zu opfern“, sagte er wörtlich. Die Mehrheit der Bundesbürger sieht das anders. In einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Forsa für das RTL-Trendbarometer sprachen sich jüngst 77 Prozent der Befragten für eine Verhandlungs-Initiative des Westens aus.

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