Kommentar zur Fußball-Europameisterschaft Was wichtig ist
Meinung | Bonn · Nach den Terroranschläge von Paris kommt es weniger darauf an, wer gewinnt. Ein Turnier ohne Terror und Gewalt, an dem die Menschen ihren Spaß haben, das wäre der größte Sieg.
Und, schon im EM-Modus? Wahrscheinlich nicht. Dass sich die Vorfreude auf die Fußball-Europameisterschaft vom 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich noch nicht einstellen will, hat mehrere Gründe. Der wichtigste heißt – Frankreich.
Seit den Terroranschlägen von Paris hat jeder Politiker, jeder Funktionär, jeder Polizist, jeder Fan und jeder Sportler weitergedacht: Wie wird das, wenn Zehntausende nach Frankreich kommen, um Fußball zu sehen? Wenn die Stadien voll und die Fan-Zonen im Grunde kaum zu kontrollieren sind. Wenn massive Polizeipräsenz einen Hauch von Sicherheitsgefühl vermitteln soll. Vielleicht geht alles gut, aber das Unbefangene, Fröhliche und Ausgelassene, das selbst Sportveranstaltungen dieser Größe meist ausgezeichnet hat, ist erst einmal weg. Man wird sich daran gewöhnen müssen.
Die Sicherheitslage ist das eine, der Sport das andere. Noch läuft in Deutschland die Saison, und wenige Tage vor dem reizvollen Pokalfinale FC Bayern gegen Borussia Dortmund fällt es schwer, schon an die Nationalelf zu denken. Zudem wurden die Fans des DFB-Teams seit dem Titelgewinn bei der WM in Brasilien keineswegs verwöhnt. Insofern war es wahrscheinlich ganz klug, ein wenig nachhaltiger auf sich aufmerksam zu machen: Bekanntgabe des EM-Kaders in der französischen Botschaft von Berlin, sehr gediegen, sehr staatstragend. Kanzler Löw stellt sein Schattenkabinett vor, mit dem er auch in Europa die Regierung übernehmen will.
Lukas Podolski ist in diesem Kabinett der Innenminister. Zuständig für gute Laune und dafür, dass Kartoffelchips im Bett des Zimmerkameraden knacken. Kaum vorstellbar, dass Podolski nach einer mäßigen Saison bei Galatasaray Istanbul noch einmal nach außen wirkt, also auf dem Platz für Furore sorgt. Aber Joachim Löw ist bekannt dafür, dass er Spielern Vertrauen schenkt und so mehr aus ihnen herausholt als ihre Vereinstrainer. Deshalb baut er auch nach wie vor auf Mario Götze und den alten Schlachtenlenker Bastian Schweinsteiger, der erneut im Laufe eines Turniers wettkampftauglich werden muss.
Die ganz große Überraschung fehlt im Aufgebot von 27 Profis, das bis zum 31. Mai um vier Spieler reduziert werden muss. Kein wirklich Etablierter, der durch den Rost gefallen wäre; kein Jung-Profi, den der Bundestrainer aus dem Hut gezaubert hätte. Allerdings berief er mit Leroy Sané, Julian Brandt, Joshua Kimmich und Julian Weigl ein Quartett, das dank Sané auf ein Länderspiel kommt – zusammen.
Das alles riecht noch nicht unbedingt nach Finalteilnahme oder gar EM-Titel. Aber ob Deutschland, Frankreich, Spanien oder vielleicht sogar ein Außenseiter gewinnt, ist diesmal wirklich nicht so wichtig. Ein Turnier ohne Terror und Gewalt, an dem die Menschen ihren Spaß haben, das wäre der größte Sieg.