Abgelehnte Asylbewerber Wenig Hoffnung auf schnelle Lösungen

Wie lässt sich die Flüchtlingskrise steuern? Die Bundesregierung setzt vor allem auf zwei Stellschrauben. Zum einen soll die Bearbeitungsdauer der Asylverfahren verkürzt werden. Zudem ist geplant, diejenigen schneller wieder in ihre Heimatländer abzuschieben, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

 Abgelehnte Asylbewerber werden zum Transport zum Flughafen abgeholt.

Abgelehnte Asylbewerber werden zum Transport zum Flughafen abgeholt.

Foto: dpa

Doch gerade jene Abschiebungen sind für viele Städte und Gemeinden im Land ein Problem, wie das Beispiel des Rhein-Sieg-Kreises zeigt. So leben im vergleichsweise kleinen Alfter nach Aussage des dortigen Sozialamtes rund 350 Asylbewerber. Hinzu kommen 35 Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, die nur noch "geduldet" sind, eine Person wird sogar seit 13 Jahren versorgt.

Daher richten sich viele Blicke auf das Ausländeramt des Rhein-Sieg-Kreises, wo man für die Durchführung der Rückführung zuständig ist. Doch dort kann man den Gemeinden wenig Hoffnung auf schnelle Lösungen machen. Gabriele Neugebauer, Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes bei der Kreisverwaltung, sowie Gerhard Schmitz-Porten, Leiter des Bereiches "Asylangelegenheiten" der Ausländerbehörde, verweisen auf die Rechtslage und eine Reihe von Duldungsgründen (s. Kasten). "Dass aber abgelehnte Asylbewerber diese Duldungsgründe in Anspruch nehmen, ist ihr gutes Recht", betonen Neugebauer und Schmitz-Porten. Doch das Geltendmachen der Duldungsgründe führt unterm Strich in vielen Fällen dazu, dass sich der Aufenthalt der Abgewiesenen und ihrer Familien derart in die Länge zieht, dass er letztlich doch in einen Daueraufenthalt mündet.

Die Prognosen des Ausländeramtes des Kreises gehen dahin: Von den derzeit mehr als 5000 Asylbewerbern werden laut Schmitz-Porten erfahrungsgemäß rund 60 Prozent der Asylanträge vom Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie den Verwaltungsgerichten abgelehnt. Nach den gerichtsfesten Entscheidungen ist dann das Ausländeramt zuständig: "Wir müssen uns um die Ausreise beziehungsweise die Rückführung kümmern, sofern diese nicht freiwillig geschieht", erklärt Rechtsamtsleiterin Neugebauer. Auch wenn es vorkomme, dass abgelehnte Asylbewerber freiwillig in die Heimat reisten, im vergangenen Jahr waren es 75, in diesem Jahr bisher 170, bleibt Fakt: "Das Gros der Menschen will lieber in Deutschland bleiben", so Schmitz-Porten.

Letztendlich könne ein abgelehnter Asylbewerber alle Abschiebehindernisse "auch kumulierend geltend machen", erklärt Neugebauer. Anders formuliert: Es ist möglich, ein Abschiebehindernis nach dem anderen ins Feld zu führen. Wegen der langen Zeit, die dabei oft vergeht, führt das in vielen Fällen aber fast zwangsläufig dazu, dass Kinder von abgelehnten Asylbewerbern als integriert gelten und einen Aufenthaltstitel erhalten: "Der Gesetzgeber hat für diese Kinder ein eigenständiges Aufenthaltsrecht geschaffen. Da man die minderjährigen Kinder natürlich nicht alleine in Deutschland lassen kann, bekommen auch die Eltern eine Duldung", erklärt Schmitz-Porten.

Etwa 1000 geduldete Personen leben derzeit im Kreisgebiet. Je mehr Zeit ins Land geht, desto problematischer wird es, einen abgelehnten Asylbewerber abzuschieben. Denn wer länger als acht Jahre "gestattet" oder "geduldet" in Deutschland lebt, kann unter bestimmten Voraussetzungen beim Ausländeramt eine befristete Aufenthaltserlaubnis beantragen. Dann ist bei einer überwiegenden eigenen Sicherung des Lebensunterhalts, Straffreiheit und der Vorlage eines Passes der weitere Aufenthalt möglich. Als nächster Schritt wäre die Beantragung einer Niederlassungserlaubnis denkbar und langfristig eine Einbürgerung.

Diese umfangreichen Möglichkeiten, trotz eines abgelehnten Asylantrages eine Bleibeperspektive zu erlangen, sind laut Kreis im Gesetz so angelegt. Die Systematik habe sich aus den vormaligen Altfallregelungen entwickelt: "Mit denen reagierte die Bundesregierung seinerzeit auf die langen Verfahrensdauern und die oft faktisch eingetretene Integration", erläutert Fachmann Schmitz-Porten. Ziel der Regelung war es, für langjährig geduldete Ausländer eine Perspektive mit einem gesicherten Aufenthaltsrecht zu eröffnen. Statt der Altfallregelung gibt es heute gesetzliche Regelungen (§ 25 a und § 25 b AufenthG), die eine Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden beziehungsweise für Erwachsene bei nachhaltiger Integration vorsehen.

Sind alle diese Faktoren berücksichtigt und entsprechend gewürdigt, kann das Ausländeramt abschieben: Im vergangenen Jahr zählte man 25 Fälle, wobei damals weniger geduldete Menschen im Kreisgebiet wohnten, nämlich rund 350 Personen. Auch die Zahl der Asylbewerber war damals deutlich geringer - Anfang Oktober 2014 zählte der Kreis 1191.

Ein weiteres Problem bleibt; Viele Personen entziehen sich ihrer Abschiebung. Laut Kreis sind allein in diesem Jahr 217 Personen unbekannt verzogen, viele davon schlicht abgetaucht.

Wie könnte man die Situation verbessern? "Keine Schnellverfahren, aber eine schnellere Entscheidung über den Asylantrag", sagen Neugebauer und Schmitz-Porten, allerdings haben die Kommunen darauf keinen Einfluss, das ist Sache der "großen Politik".

Duldungsgründe

Als Duldung bezeichnet das deutsche Aufenthaltsrecht eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Ausgesetzt wird eine Abschiebung, wenn sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Rechtliche Gründe: Dazu zählt ein Verbot der Abschiebung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). So ist eine Abschiebung in einen Staat, in dem für den Ausländer die konkrete Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung besteht, ausgeschlossen.

Auch die Abschiebung eines abgelehnten Asylbewerbers, dessen Familie nach einem langen Asylverfahren inzwischen in Deutschland gut verwurzelt ist, kann nach Artikel 8 EMRK ("Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens") ausgesetzt werden. Abschiebungsschutz besteht auch, wenn die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung infolge fehlender oder nicht ausreichender Behandlung im Zielland besteht.

Zudem bewirkt ein Asylfolgeantrag oder eine Klage gegen einen ablehnenden Bescheid eine Duldung. Ein Abschiebehindernis liegt auch dann vor, wenn sich ein anderes Familienmitglied, etwa ein in Deutschland geborenes Kind, noch im Asylverfahren befindet.

Tatsächliche Gründe: Dazu zählt, dass Heimreisedokumente fehlen. In diesem Fall ist das Ausländeramt auf die Mitwirkung des Betroffenen wie auch der Behörden in dessen Heimatland angewiesen. Zudem kommt es vor, dass der Herkunftsstaat die Aufnahme verweigert. Auch kann der abgelehnte Asylbewerber eine Reiseunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung geltend machen.

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