Kommentar zur Rolle der USA im Nahen Osten Wer ersetzt die USA im Nahen Osten?
Meinung · Bei den Verhandlungen über eine neue Gaza-Feuerpause geben arabische Staaten den Ton an, nicht mehr die USA. Eine neue Ära beginnt.
Die USA sind seit 70 Jahren die bestimmende Macht im Nahen Osten. Die politische Landschaft der Region mit einem starken israelischen Staat, reichen arabischen Ölnationen und einem isolierten Iran sähe ohne die Amerikaner anders aus. Jetzt zeigt der Gaza-Krieg, wie sehr die USA an Einfluss verloren haben. Eine neue Ära beginnt.
Als Barack Obama 2013 auf Militärschläge gegen Syrien verzichtete, obwohl das Regime mit dem Einsatz von Chemiewaffen seine „rote Linie“ überschritten hatte, schockte Washington seine Verbündeten in der Region. Auf Amerika sei kein Verlass mehr, lautete die Schlussfolgerung arabischer Regierungen. Das Image der USA hat sich davon nie mehr erholt. Zwar haben die USA nach wie vor Zehntausende Soldaten im Nahen Osten stationiert, doch das reicht nicht, um den Iran im Zaum zu halten. Seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges ermuntert Teheran verbündete Milizen zu Angriffen auf US-Soldaten, Israel und die internationale Schifffahrt. Die USA können die Angriffe nicht stoppen.
Deshalb handeln arabische Staaten jetzt selbst. Saudi-Arabien hat seine Beziehungen mit dem Iran normalisiert und bemüht sich um ein Ende des Krieges gegen die Huthis im Jemen. Katar hat die Führungsrolle bei der Vermittlung zwischen Israel und der Hamas übernommen.
Dass die USA die Entwicklung wieder umkehren werden, ist unwahrscheinlich. Für die Region stellt sich die Frage, wer die USA als Ordnungsmacht ersetzen wird. Russland ist ganz auf den Krieg gegen die Ukraine konzentriert und militärisch und wirtschaftlich geschwächt. China hat sein wirtschaftliches Engagement im Nahen Osten zwar erheblich ausgebaut, bleibt aber militärisch und politisch zumindest auf absehbare Zeit unbedeutend.
Am wahrscheinlichsten ist deshalb, dass regionale Schwergewichte wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und vielleicht die Türkei mehr in den Vordergrund treten werden. Sie alle wollen den Gaza-Krieg so schnell wie möglich beenden. Alle sind pragmatisch genug, um trotz des Krieges nicht alle Brücken zu Israel abzubrechen. Allerdings sind sie auch Konkurrenten um Macht und Einfluss in der Region und haben keine gemeinsame Linie in der Iran-Politik oder in der Frage des politischen Islam. Nach dem Ende der US-Vorherrschaft wird der Nahe Osten möglicherweise weniger fremdbestimmt sein – aber vielleicht auch unberechenbarer.