Kommentar zu dem Tod von Jamal Khaschoggi Werte und Interessen

Meinung · Mit seiner Reaktion auf den Tod des saudischen Regimekritikers Jamal Khaschoggi macht sich Recep Tayyip Erdogan selbst zum Chefaufklärer, während Deutschland die Waffenlieferungen an den Golfstaat nun Probleme bereiten. Ein Kommentar von GA-Redakteur Nils Rüdel.

 Rede vor der Parlamentsfraktion: Recep Tayyip Erdogan.

Rede vor der Parlamentsfraktion: Recep Tayyip Erdogan.

Foto: dpa

Recep Tayyip Erdogan zeigt sich empört. Der türkische Präsident wirft Saudi-Arabien einen „politischen Mord“ am saudischen Journalisten Jamal Khaschoggi vor – und widerspricht der Behauptung Riads, der Regimekritiker sei im Konsulat in Istanbul an den Folgen einer „Schlägerei“ gestorben. Erdogan belastet den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman schwer, ohne ihn direkt mit der Tat in Verbindung zu bringen.

Erdogan, unter dessen Präsidentschaft Dutzende Journalisten in Haft sitzen, schwingt sich zum Chefaufklärer auf. Er profitiert vom Entsetzen über den mutmaßlichen Mord, weil er so wieder näher an den Westen rückt, den er in der Wirtschaftskrise braucht. Zugleich verspricht er sich Vorteile in der Rivalität mit Riad, wenn der dortige Thronfolger beschädigt ist.

So wird auf dem Rücken des toten Khaschoggi Politik gemacht. Während Erdogan den Fall für sich nutzt, fällt dem Westen dessen Realpolitik auf die Füße. US-Präsident Donald Trump lässt sich nicht beirren und freut sich weiter über Rüstungs-Milliarden. Aber Deutschland wurde kalt erwischt. Eben erst hatten Berlin und der Golfstaat, der im Jemen Krieg führt und Regierungsgegner auspeitschen lässt, wieder Freundschaft geschlossen.

Und nun das. Die Bundesregierung hat zu Recht alle Waffenexporte eingefroren. Aber was dann? Eine echte Neuausrichtung der Beziehungen, so ist zu befürchten, wird es trotz Khaschoggi nicht geben. Einen Bruch will niemand riskieren. Dafür ist das Land ökonomisch und politisch zu wichtig. Werte und Interessen passen leider allzu oft nicht zusammen.

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