Besuch in London Wirtschaftsvertreter: Ungeregelter Brexit wäre fatal

London · EU-Unternehmen, die nach Großbritannien exportieren, sind in großer Sorge. Was passiert, wenn London ungeregelt die Europäische Union verlässt? In London fordern Wirtschaftsvertreter rasche Klarheit.

 Angesichts der schleppenden Brexit-Verhandlungen hatte Brüssel der britischen Regierung jüngst eine Frist von etwa zwei Wochen für Zugeständnisse gesetzt.

Angesichts der schleppenden Brexit-Verhandlungen hatte Brüssel der britischen Regierung jüngst eine Frist von etwa zwei Wochen für Zugeständnisse gesetzt.

Foto: Monika Skolimowska/Symbolbild

Europäische Wirtschaftsverbände haben bei einem Treffen mit der britischen Premierministerin Theresa May eindringlich vor den Folgen eines ungeregelten EU-Austritts gewarnt.

An dem Gespräch am Montag in London nahmen auch Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) teil. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel verlaufen zäh. Großbritannien verlässt Ende März 2019 die EU.

"Wir brauchen rasch Klarheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen", sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter, nach dem Treffen der Deutschen Presse-Agentur. Man erwarte bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember von der Londoner Regierung Ergebnisse. Viele Arbeitgeber beschäftige vor allem die Frage, welchen legalen Status ihre Mitarbeiter in Großbritannien im Falle eines ungeregelten Ausstiegs nach März 2019 wohl hätten. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang bezeichnete die von May ins Spiel gebrachte Übergangsphase von zwei Jahren als zu kurz.

"Ein Ende ohne Deal wäre für die Wirtschaft fatal", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer, Ulrich Hoppe, auf Anfrage. "Betroffen wären zum Beispiel die deutsche Chemie- und Autoindustrie wie alle anderen Exporteure Richtung Großbritannien." Übergangsregeln nach dem EU-Ausstieg seien besonders wichtig. Das Treffen in London hatte Hoppe im Radioprogramm SWR Aktuell als "Flucht nach vorn" bezeichnet.

Nach Angaben des britischen Wirtschaftsverbandes CBI (Confederation of British Industry) haben zahlreiche Firmen bereits Notfallpläne für den Fall des ungeregelten Austritts parat. An der Veranstaltung in London nahmen 15 Organisationen - etwa aus Frankreich, Irland und Schweden - und auch der britische Brexit-Minister David Davis teil.

Großbritannien will aus der EU, dem EU-Binnenmarkt und aus der Zollunion austreten. May hatte in einer Rede in Florenz die Übergangsphase von etwa zwei Jahren ins Gespräch gebracht.

Angesichts der schleppenden Verhandlungen hatte Brüssel der britischen Regierung am vergangenen Freitag eine Frist von etwa zwei Wochen für Zugeständnisse gesetzt. Wenn es bis dahin keine Grundsatzeinigung gebe, werde man im Dezember nicht wie geplant mit den Gesprächen über die künftigen Beziehungen starten können. Für ein Austrittsabkommen würde die Zeit dann sehr knapp werden. Ohne Einigung scheidet Großbritannien ungeregelt aus der EU aus.

Die Europäische Union pocht darauf, drei Themen zuerst zu klären: die britischen Finanzverpflichtungen nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft, den künftigen Status der nordirisch-irischen Grenze sowie Garantien für Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Die Schlussrechnung gilt als besonders heikel.

Ein Problem bei den Verhandlungen ist auch die Uneinigkeit im britischen Kabinett. May verliert in ihrer Partei zunehmend Rückhalt seit der fehlgeschlagenen Neuwahl im Juni, in der die Konservativen die Mehrheit im Parlament verloren haben. Die Regierung ist sich beim Brexit nicht einig; einzelne Minister fahren May in die Parade. Außenminister Boris Johnson und Umweltminister Michael Gove sollen einem Medienbericht zufolge kürzlich die Regierungschefin per Brief aufgefordert haben, notfalls einen "harten Brexit" durchzuziehen.

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