Streit um Incirlik-Besuche Yildirim: Deutschland muss sich klar zur Türkei bekennen

Istanbul/Berlin · Und wieder dreht sich die Eskalationsspirale zwischen Deutschland und der Türkei: Asyl für türkische Soldaten, Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete und jede Menge Verbalattacken. Folgt als nächstes der Abzug deutscher Soldaten aus Incirlik?

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim fordert von Deutschland ein klares Bekenntnis zur Türkei.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim fordert von Deutschland ein klares Bekenntnis zur Türkei.

Foto: Kirsty Wigglesworth

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat Deutschland angesichts neuer Spannungen gewarnt, die Partnerschaft mit der Türkei aufs Spiel zu setzen.

Die Bundesregierung müsse sich zwischen der Türkei und ihren Gegner entscheiden, sagte Yildirim vor der Fraktion der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.

"Wenn es seine Beziehungen mit der Türkei ausbauen will und sein seit jeher bestehendes Freundschaftsband zur Türkei noch mehr stärken will, dann muss es sich der Republik Türkei zuwenden und nicht den Separatisten und Fetö-Anhängern." Als Fethullah Terrororganisation (Fetö) bezeichnet Ankara die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen, die die türkische Führung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht.

Ankara hatte Verteidigungsexperten des Parlaments einen Besuch in Incirlik verweigert, weil die Bundesregierung türkischen Soldaten Asyl gewährt hat. Yildirim sagte, diese Soldaten seien in den Putschversuch involviert gewesen.

Die Bundesregierung droht nun erstmals offen mit einem Abzug der deutschen "Tornado"-Aufklärungsjets, die sich von der Türkei aus am Anti-IS-Kampf beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wollen aber zunächst in weiteren Gesprächen versuchen, die türkische Regierung umzustimmen. Nach "Spiegel"-Informationen will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) aber bereits am kommenden Wochenende den favorisierten Alternativstandort in Jordanien inspizieren.

Die Opposition will dagegen ein schnelles Votum des Bundestags über den sofortigen Abzug herbeiführen. Die Fraktionen von Linken und Grünen verabschiedeten am Dienstag einen gemeinsamen Antrag, mit dem sich das Parlament schon am Donnerstag befassen soll. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und die parlamentarische Kontrolle muss zu jedem Zeitpunkt möglich sein. Die Bundeswehr wird daher mit sofortiger Wirkung vom Standort Incirlik (Türkei) abgezogen", heißt es in dem Antrag.

Interessant wird die Abstimmung vor allem, weil auch SPD-Abgeordnete und sogar ein CDU-Parlamentarier den sofortigen Abzug aus Incirlik gefordert haben. Die Koalition kann die Entscheidung aber verzögern, indem sie den Antrag mit ihrer Mehrheit in die zuständigen Ausschüsse überweist.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies die türkische Kritik an den deutschen Asylentscheidungen zurück. Die Asylanträge würden in einem rechtsstaatlichen Verfahren gestellt und entschieden; Vorwürfe dagegen seien unbegründet. Die Bundesregierung werde das Besuchsverbot und die Suche nach einem Alternativstandort zu Incirlik in den Nato-Gremien zur Sprache bringen. Bundeskanzlerin Merkel reist am 25. Mai zum Nato-Gipfel nach Brüssel.

Die Basis Incirlik liegt in der Nähe der südtürkischen Stadt Adana gut 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Der Stützpunkt, auf dem türkisches Hoheitsrecht gilt, wird seit den 1950er Jahren auch von den USA genutzt. Am Anti-IS-Einsatz sind derzeit 268 Bundeswehrsoldaten beteiligt, die meisten davon sind in Incirlik stationiert. Inzwischen sind die "Tornados" zu rund 900 Aufklärungseinsätzen gestartet.

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