Kommentar Zeichen der Bewegung
ROM · Die an diesem Wochenende zu Ende gegangene Bischofssynode im Vatikan ist eine Zäsur in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche.
Niemals zuvor haben sich die versammelten Spitzenexponenten der Kurie und der Bischofskonferenzen so offen mit dem Thema Familie befasst. Wenn die katholische Kirche über Familie spricht, dann bedeutete dies bisher eines: die Bestätigung der bestehenden, rigorosen Lehre zu Themen wie Ehe, Partnerschaft und Sexualität. In diesem Zusammenhang hat sich im Vatikan die Perspektive geändert.
Die Mehrheit der Kirchenführer verschanzt sich nun nicht mehr hinter den sogenannten nicht verhandelbaren Prinzipien. Zum ersten Mal forderten die Synodenväter einen neuen Blick auf die Familie. Anstatt explizit homosexuelle Handlungen oder nicht-eheliche Partnerschaften zu verurteilen, erkannten die Bischöfe erstmals positive Elemente in Situationen an, die nicht dem Ideal der katholischen Doktrin entsprechen. Es ist wirklich so, wie ein Synodenteilnehmer es formulierte: Die katholische Kirche blickt erstmals nicht mehr in die Schlafzimmer der Menschen, sondern in ihre Wohnzimmer.
Auch wenn im Schlussdokument eine explizite Öffnung gegenüber Homosexuellen, wie sie noch im Zwischenbericht zu lesen war, wieder kassiert wurde: Die Bischöfe haben eine Türe zur Wirklichkeit der Menschen geöffnet, anstatt sie zum unzähligsten Male zuzuschlagen. Diesen offenen Spalt werden auch die Traditionalisten im Klerus nicht so leicht wieder verschließen können. Wenn man so will, hält Papst Franziskus, Garant und Initiator dieser Entwicklung, die Tür mit seinen breiten, schwarzen Schuhen gegen die Widerstände auf. Denn die sind, wenn auch in der Minderheit, nicht zu überhören.
Definitiv wurde auf der Synode nichts beschlossen. Die Kirche hat ihren Katechismus und ihre Doktrin nicht verändert, Sünde bleibt Sünde und das Ideal der christlichen Ehe zwischen Mann und Frau unangetastet. Die Bischöfe haben gar keine Macht zur Veränderung der Lehre. Die Synodenväter konnten allein Empfehlungen und ihre Sicht der Dinge darlegen, so wie sie es auch bei der ordentlichen Synode im Oktober 2015 zum selben Thema machen werden. Sie haben aber einer neuen, offenen Grundstimmung Ausdruck gegeben, die Folgen haben wird. Im Abschlusspapier der Synode kommt auch die Uneinigkeit bei umstrittenen Themen zum Ausdruck. Dies ist ein Zeichen für Bewegung und Offenheit, das gut für die Kirche selbst ist.
Das letzte Wort hat Franziskus. Er wird nach der Synode im kommenden Jahr die Empfehlungen der Bischöfe in ein verbindliches Programm gießen, dessen Wirkung erheblich sein dürfte. Wird man in einigen Jahren dann den Zeitpunkt des Beginns der theologischen Wende suchen, liegt die Antwort in dieser Synode.