Papstwahl 1958 Zwei Ärzte aus Siegburg waren dabei
SIEGBURG · Zwei Ärzte aus Siegburg begleiteten 1958 einen ihrem prominenten Schützling nach Rom zum Konklave. Kardinal Tien-Ken-Sin hatte sich zuvor bei einem Verkehrsunfall auf der B56 schwer verletzt.
Norbert Möhlenbruch ist acht Jahre alt auf dem alten Zeitungsfoto, das ihn, seine vier Brüder, seine Mutter und seinen Vater, den Chirurgen Dr. Alfred Möhlenbruch, neben einem kleinen, fröhlich dreinblickenden Mann zeigt. Bis heute erinnert sich Norbert Möhlenbruch, promovierter Forstwissenschaftler aus Hennef, an den Moment, in dem das Foto geschossen wurde, als "etwas ganz Besonderes". Denn diesem Moment war eine außergewöhnliche Geschichte vorausgegangen, die zwei Siegburger Ärzten rund um den Globus Aufmerksamkeit verschafft hatte.
Dr. Möhlenbruch, damals Chefarzt im alten Siegburger Krankenhaus, und sein Kollege Dr. Norbert Zylka, Oberarzt der Chirurgischen Abteilung, waren am 25. Oktober 1958 mit ihrem prominenten Schützling Thomas Kardinal Tien-Ken-Sin nach Rom zum Vatikan gereist. Dieser Kardinal Tien, damals 68 Jahre alt und erster (und bis heute einziger) Erzbischof von Peking, ist der kleine Mann auf dem alten Zeitungsfoto, an das sich Norbert Möhlenbruch so gut erinnert.
Tien, der als unkompliziert und bescheiden beschrieben wird, hält sich im Sommer 1958 im Ordenshaus der Steyler Missionare in Sankt Augustin auf. Bei einem Verkehrsunfall auf der B56 zwischen Bonn und Hangelar wird er schwer verletzt, schwebt zeitweise sogar in Lebensgefahr. Behandelt wird er von den beiden Siegburger Ärzten.
Als am 9. Oktober 1958 Papst Pius XII. stirbt, sind Tiens Verletzungen beinahe ausgeheilt. Nur der rechte Arm bereitet noch Probleme: Eine komplizierte dreifache Oberarmfraktur und ausgedehnte Riss- und Quetschwunden erfordern auch weiterhin eine ständige medizinische Betreuung. Und so kommt es, dass der chinesische Erzbischof, der wie 52 weitere Kardinäle der katholischen Kirche zur Wahl des neuen Papstes in den Vatikan berufen worden ist, diese Reise nicht allein antreten kann, sondern nur in Begleitung seiner deutschen Leibärzte.
Eine päpstliche Konstitution aus dem Jahr 1562 erlaubt kranken und invaliden Kardinälen, bis zu drei Konklavisten mitzubringen. Unter einem großen öffentlichen und medialen Interesse fliegt Kardinal Tien gemeinsam mit seinen Ärzten und seinem Sekretär Priester Bonifatius Wang vom Flughafen Köln/Bonn aus nach Rom.
Sofort nachdem Alfred Möhlenbruch und Norbert Zylka am 25. Oktober mit ihrem prominenten Patienten in den Damasushof des Vatikans eingefahren sind, wird auch das letzte Tor zum Konklave, der streng abgeschirmten Kardinalsversammlung, zugemauert, wie es Tradition ist und wie es auch jetzt, nach dem Rücktritt Benedikts XVI. wieder sein wird: Bis weißer Rauch über Rom von der Wahl des neuen Kirchenoberhaupts kündet, darf nichts nach außen und auch nichts hineindringen, um die Kardinäle keinerlei äußeren, vor allem politischen, Einflüssen auszusetzen.
Es müssen spannende Tage für die Siegburger Mediziner gewesen sein: Zunächst starb einer der Kardinäle, dann stieg bereits am zweiten Tag irreführenderweise der berühmte weiße Rauch über der Sixtinischen Kapelle auf, der von der Wahl eines neuen Papstes kündet - nach alter Tradition werden nach jedem Wahlgang die Stimmzettel in einem kleinen Ofen verbrannt. Ist der Rauch dunkel, konnten sich die Kardinäle nicht einigen, ist er weiß, steht der neue Papst fest. Für die entsprechende Farbe sorgt nasses oder trockenes Stroh. 1958 war, weil das alte Öfchen nach dem letzten Konklave auf ungeklärte Weise verschwand, ein neues angeschafft worden - und das funktionierte offenbar noch nicht richtig und sorgte so für die verfrühte weiße "Fumata" und für reichlich Verwirrung in Rom.
Rudolf Möhlenbruch, ein weiterer der fünf Söhne des 1973 verstorbenen Chirurgen, hat in Band 5 der "Beiträge zur Geschichte der Stadt Hennef" die Ereignisse aus dem Jahre 1958 ausführlich recherchiert und anschaulich beschrieben. Und auch Dr. Norbert Zylka, der 2003 starb, widmete dem Konklave in seiner Autobiografie zwei Kapitel.
Tief beeindruckt schildert er seine Reise - vom Tennisspiel in Siegburg, das er nach dem Unfall Kardinal Tiens abrupt abbrechen muss, bis zur Verkündung der erfolgreichen Papstwahl. "Ein etwas beklemmendes und unsicheres Gefühl" hat Norbert Zylka, eingemauert im Vatikan: "Die Dauer der Einschließung war völlig offen", schreibt der Arzt. "Schließlich hatte das längste Konklave zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage gedauert."
1958 dauert es schließlich nur drei Tage. Doch darüber, was genau in diesen Tagen hinter den Mauern der Sixtinischen Kapelle passiert, ist wenig bekannt: "Mein Vater hat zu den Wahlgängen nie ein Wort gesagt, weil ihm Stillschweigen auferlegt worden war", berichtet Norbert Möhlenbruch. Fest steht: Am 28. Oktober 1958 ist es endlich soweit: "Habemus papam", Angelo Giuseppe Roncalli, der Patriarch von Venedig, hat im zweiten Wahlgang die nötige Mehrheit erhalten und gab sich fortan als Papst den Namen Johannes XXIII. Für die deutschen Ärzte ist die aufregende Reise damit beendet. Zurück in der Heimat, entsteht das Foto, das Norbert Möhlenbruch bis heute an eine ganz besondere Phase im Leben der Familie erinnert.