NSU-Debatte Ausschuss ist über die Informationspolitik verärgert

BERLIN · Der Mann hat Nerven: Am Mittwochabend, als das Parlament seinen Etat debattierte, machte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) gleich zu Beginn seiner Rede klar, dass er nur über die Bundeswehr und die Verteidigungspolitik sprechen werde. Kein Wort zu dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dessen Verhalten im Zusammenhang mit der Mordserie dreier Rechtsextremisten.

Der Minister wusste, dass die NSU-Debatte auch ohne sein Zutun an Dynamik eher zulegt. Gestern brach sie mit einiger Wucht erneut über die Politik hinein.

Mit ausgelöst wurde dies durch den nunmehr vierten Rücktritt eines Verfassungsschutzamt-Präsidenten binnen weniger Wochen. Der sachsen-anhaltinische Chef Volker Limburg bat den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff um die Versetzung in den Ruhestand. Ihm waren der thüringische Amtskollege Thomas Sippel und der oberste sächsische Verfassungsschützer Reinhard Boos vorausgegangen.

Zuvor hatte schon der Präsident des Bundesamtes, Heinz Fromm, das Handtuch geworfen. Obgleich sich insgesamt drei Untersuchungsausschüsse (Bundesebene, Sachsen und Thüringen) mit den verdächtigen rechtsterroristischen Kriminellen beschäftigt haben, sind klare Ergebnisse noch Mangelware.

Für die Ausschuss-Mitglieder ist klar: Dahinter steckt Absicht. Die SPD-Abgeordnete Eva Högl bringt es auf den Punkt: "Ich bin wirklich genervt."

Neu ist, dass sich auch der Berliner Senat mit dem Vorwurf der Aktenverschleppung auseinandersetzen muss. Der Vorwurf lautet: Das Land habe wichtige Unterlagen zurückgehalten. Mit dem Wissen aus diesen Akten hätte man möglicherweise 2002 den Aufenthaltsort des Terror-Trios ermitteln und die Morde verhindern können. Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte die schnelle Prüfung der Vorwürfe zu.

Die dem gestern erneut tagenden Untersuchungsausschuss des Bundestages vorliegenden Informationen über Abwerbeversuche des MAD gegenüber einem der Rechts-Terroristen, Uwe Mundlos, sind dagegen noch nicht im Detail geklärt. Aus inzwischen veröffentlichen Unterlagen geht hervor, dass der Abschirmdienst durch Hinweise des Bundesverteidigungsministeriums auf Mundlos` Nähe zum Rechtsextremismus aufmerksam geworden ist.

Mundlos war während des Wehrdienstes in der Thüringischen Frankenberg-Kaserne zusammen mit fünf anderen Soldaten wegen rechtsextremistischer Äußerungen aufgefallen. Der MAD verhörte 1995 den damals 21-Jährigen. Mundlos habe jede Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen abgelehnt. Nur: Der MAD hat die Akte dem Ausschuss in Berlin vorenthalten.

Drei Jahre später gründete er zusammen mit Uwe Bönhardt und Beate Zschäpe den "Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Die Gruppe wurde für den Mord an zehn Deutschen verantwortlich gemacht. Offensichtlich kommen die Ermittlungsbehörden zu einer Neubewertung der Rolle von Frau Zschäpe.

Am Donnerstag wurde ihr Antrag auf ein Ende der Untersuchungshaft vom zuständigen Bundesgerichts abgelehnt. Die Anklageerhebung stehe unmittelbar bevor; wahrscheinlich beginnt die Verhandlung Ende 2012/Anfang 2013.

Die Ermittler gehen jetzt davon aus, dass Zschäpe von den geplanten Morden Kenntnis hatte, beziehungsweise in die geplanten Terror-Pläne eingeweiht gewesen ist.

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