Aussichtslose Syrien-Debatte beim G20-Gipfel

St. Petersburg · Das Kräftemessen der Großmächte USA und Russland steht einer Lösung im Syrien-Konflikt im Wege. Beim G20-Gipfel in St. Petersburg suchten die Präsidenten Barack Obama und Wladimir Putin zwar die Gelegenheit für ein informelles Gespräch am Rande.

 Mühsame Freundlichkeit: Wladimir Putin und Barack Obama in St. Petersburg. Foto: Anatoly Maltsev

Mühsame Freundlichkeit: Wladimir Putin und Barack Obama in St. Petersburg. Foto: Anatoly Maltsev

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Nach den jüngsten gegenseitigen Attacken standen die Chancen für eine gesichtswahrende Übereinkunft nach Angaben von Diplomaten aber mehr als schlecht. Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpfte die Erwartungen in der Syrien-Debatte.

Der Syrien-Konflikt stand offiziell nicht auf der Tagesordnung des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs aus den weltweit wichtigsten Volkswirtschaften (G20). Die eigentlichen Themen sind Wirtschaftsfragen: aktive Wachstumspolitik, schärfere Kontrolle der globalen Finanzwirtschaft, Kampf gegen Steueroasen.

Obama suchte Unterstützung für einen Waffengang gegen die syrische Führung um Präsident Baschar al-Assad. Berater des Präsidenten gingen davon aus, dass Obama diese Argumente beim Abendessen anführen wollte: Die Ächtung von Chemiewaffen müsse durchgesetzt werden. Es gebe keinen Zweifel, dass Assad hinter dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz stehe. Die Lähmung des UN-Sicherheitsrates durch das russische und chinesische dürfe keine Entschuldigung für Nichtstun sein.

Der US-Präsident spüre durchaus Gegenwind beim Gipfel, hieß es weiter. Auch verlautete, Obama rechne gar nicht mit einer Einigung. Russlands Widerstand sei viel zu massiv.

Obama macht Präsident Baschar al-Assad für den Tod von mehr als 1400 Menschen am 21. August nach dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff verantwortlich.

Putin bestätigte den tiefen Graben zwischen den USA und Russland. Ein US-Militärschlag in Syrien sei durch nichts gerechtfertigt. "Es gibt eine gesetzliche Regierung, gesetzliche Streitkräfte", sagte Putins-Sprecher, Dmitri Peskow.

Die jüngsten Äußerungen Russlands stellten keinen wirklichen Positionswechsel dar, meinte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in St. Petersburg. Sie seien kein Zeichen für mehr Flexibilität. "Das bedauern wir."

Merkel sagte bei der Ankunft vor Journalisten: "Dieser Krieg muss beendet werden." Das sei aber nur politisch zu machen. "Ich will die Erwartungen nicht zu hoch schrauben." Dass über den Bürgerkrieg gesprochen werde, sei zumindest eine Chance. "Wer spricht, versucht sich auch zu verständigen." Deshalb sehe sie derzeit keine gemeinsame Haltung zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat.

Papst Franziskus forderte die Gipfelrunde eindringlich auf, einen Militärschlag zu vermeiden und Friedensbemühungen eine Chance zu geben. Auch Hilfsorganisationen warnten vor einem Militärschlag.

Auch aus Angst, die Weltwirtschaft könne Schaden nehmen, lehnte China neuerlich ein US-Eingreifen in Syrien ab. "Eine Lösung durch politische und diplomatische Kanäle ist die einzig angemessene Lösung der Syrienfrage", sagte der Sprecher der chinesischen Delegation, Vizefinanzminister Zhu Guangyao. Das Wirtschaftswachstum sei ohnehin schon schwach. Die Verunsicherung von Anlegern durch einen Militärschlag könnte zu weiterem Schaden führen und zum Beispiel einen Anstieg der Ölpreise auslösen.

"Die globale Erholung ist immer noch anfällig", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zum Auftakt des Gipfels. Merkel sprach sich für einen abgestimmten Ausstieg der Top-Wirtschaftsmächte aus der lockeren Geldpolitik aus, um Brüche in der wirtschaftlichen Entwicklung zu verhindern.

Putin warb erneut für eine grundlegende Reform der Weltwirtschaft. Nur so sei der Vertrauensverlust in die Finanzmärkte nach dem Crash 2008 wieder herzustellen. "Heute sind die dringendsten Probleme gelöst oder unter Kontrolle." Es gebe aber nach wie vor zahlreiche Risiken.

Auch die Europäer sehen die Weltwirtschaft fünf Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers noch immer in Gefahr. "Die globale Erholung ist immer noch anfällig", sagte Barroso.

Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh vertrat den selben Standpunkt. Die G20-Staaten müssten ihre Geldpolitik besser koordinieren, forderte er. "Es gibt sicher Raum für stärkere Konsultationen und wirksamere Kommunikation in dieser Frage."

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte vor ruckartigen Maßnahmen bei der Geldpolitik. Wenn zinsgünstiges Geld nicht mehr in Ländern wie Indonesien, Brasilien oder Indien investiert werde, könnte das ernste Probleme bereiten, schrieb der IWF mit Blick auf den G20-Gipfel.

Ebenso forderte China die USA auf, bei der Geldpolitik "beträchtlichen Nebenwirkungen" zu berücksichtigen. China begrüße - wie auch der IWF - das wiederbelebte Wachstum in den USA, das gut für die Weltwirtschaft sei.

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