Am Sitz der UNO Beim "Jugenddialog" steht Greta Thunberg im Mittelpunkt

Beim "Jugenddialog" mit UN-Generalsekretär António Guterres steht Greta Thunberg, das Gesicht der Bewegung "Fridays for Future", im Mittelpunkt. Es ist der Höhepunkt ihrer Amerikareise, die eher verhalten begann, dann aber für echte Paukenschläge sorgte.

 Globaler Klimastreik: Schüler halten in Miami Plakate mit der Aufschrift "Denial is not a policy" (Leugnen ist keine Politik) und "Wake up" (Aufwachen).

Globaler Klimastreik: Schüler halten in Miami Plakate mit der Aufschrift "Denial is not a policy" (Leugnen ist keine Politik) und "Wake up" (Aufwachen).

Foto: dpa/Lynne Sladky

Was er vom Klimagipfel hält, demonstrierte der amerikanische Präsident mit einer Selbstverständlichkeit, als ginge ihn das Thema nichts an. Donald Trump wird wohl am Montag durch Abwesenheit glänzen, wenn sich Staats- und Regierungschefs aus 60 Ländern in seiner Heimatstadt New York zum "Climate Action Summit" versammeln.

Zeitgleich wird er auf einer kurzfristig anberaumten Konferenz über Religionsfreiheit reden, ebenfalls im Hauptquartier der Vereinten Nationen, nur eben in einem kleineren Saal. Es ist ein diplomatischer Affront, den Mary Robinson, einst Präsidentin Irlands, heute UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, gewollt undiplomatisch kommentiert. "Er will den Ablenkungsfaktor, nehme ich an."

Ansonsten dürfte es Gretas Gipfel werden, trotz aller Prominenz, die sich angesagt hat. Frankreich ist durch Emmanuel Macron vertreten, Deutschland durch Angela Merkel, Großbritannien durch Boris Johnson, Indien durch seinen Ministerpräsidenten Narendra Modi, um nur ein paar Namen zu nennen. Doch zu Beginn, beim "Jugenddialog" mit UN-Generalsekretär António Guterres, steht eine 16 Jahre alte Schülerin aus Schweden im Rampenlicht. Greta Thunberg, das Gesicht der Bewegung "Fridays for Future". Es ist der Höhepunkt ihrer Amerikareise, die eher verhalten begann, dann aber für echte Paukenschläge sorgte.

Phalanx der Skeptiker

Zu sagen, Greta Thunberg hätte die Herzen der Amerikaner im Sturm erobert, wäre sicher übertrieben. So ausgeprägt wie in keinem anderen westlichen Land hält sich die Phalanx der Skeptiker, die das Szenario einer vom Menschen verursachten Erderwärmung für einen Witz halten. Oder mit den Worten Trumps: für eine Erfindung der Chinesen, die sich das Ganze ausgedacht hätten, um der amerikanischen Industrie die Wettbewerbsfähigkeit zu nehmen. Thunberg hat die Lage treffend, in prägnanter Kürze beschrieben. In den USA, sagte sie, fühle es sich an, als rede man über den Klimawandel wie über etwas, an das man entweder glauben oder nicht glauben könne. "Wo ich herkomme, sieht man es eher so: Es ist Fakt."

So sehr das konservative Amerika mit der Aktivistin fremdelt, das linksliberale Amerika hat in ihr seine neue Ikone gefunden. Als sie am Freitag im Battery Park an der Südspitze Manhattans an ein Pult tritt, redet sie, so schätzen es die Veranstalter, zu einer Viertelmillion Menschen. Es ist die größte Klimademonstration in der Geschichte des Landes, und Thunberg spricht so unaufgeregt, so ernsthaft, so schnörkellos wie immer. "Wir gehen nicht auf die Straße, unsere Bildung opfernd, damit die Erwachsenen Selfies mit uns machen und uns erzählen können, dass sie wirklich, wirklich bewundern, was wir tun. Wir tun das, damit wir sie zum Handeln zwingen." Die Politiker, die sich beim Klimagipfel versammelten, hätten nur eine Chance: Sie könnten beweisen, dass sie handeln, dass sie zuhören.

Apathie in der Klimapolitik beobachtet

Tags darauf sitzt sie in einem Kleid mit großen Karos in einem giftgrünen Sessel in der UN-Zentrale, neben ihr, mit demonstrativ offenem Hemdkragen, António Guterres. Jugendklimagipfel heißt die Veranstaltung. Guterres greift auf, was Thunberg im Battery Park sagte. Er klingt wie ihr Echo. Ein Problem, das die Führungskräfte dieser Welt hätten, tadelt er, sei dieses: "Sie reden zu viel, und sie hören nicht genug zu." Als er 2017 sein Amt antrat, erzählt er, habe er eine gewisse Apathie in der Klimapolitik beobachtet, im merkwürdigen Kontrast zu dramatischen Naturereignissen. Nun aber, mit der Jugendbewegung, spüre er neuen Schwung, auch wenn es noch immer so aussehe, als verliere man das Rennen. "Ich möchte Sie darin bestärken, dass Sie meine Generation herausfordern", sagt der Portugiese, an Thunberg gewandt. "Meine Generation hat im Großen und Ganzen versagt." Zuvor hatte die Schwedin, lakonisch wie immer, zurückgeblendet auf die Freitagsdemo: "Wir haben gezeigt, dass wir geeint sind und dass uns junge Leute niemand stoppen kann".

Angefangen hatte es eher bescheiden. Als die Aktivistin an einem schwülheißen Augusttag, an Bord des Segelschiffs Malizia II, den Yachthafen von New York erreichte, waren es mehr Medienvertreter als Sympathisanten, die gekommen waren, um sie zu begrüßen. Dann aber saß sie am Tisch des Satirikers Trevor Noah im Studio der "Daily Show". Übers Fernsehen erreichte sie erstmals ein größeres Publikum, danach schrieben manche Kolumnisten von einem Zusammenprall der Kulturen. Im amerikanischen Diskurs, wo man gern ausschmückt, schnell zum Superlativ neigt, sind derart trockene, nüchterne Beiträge die Ausnahme. Auch das erklärt die Faszination für Greta.

Wie eine genervte Lehrerin

"Wie und wo sie auftritt, interessiert mich ehrlich gesagt nicht", antwortete sie bei Noah auf eine Frage nach ihrer Mutter. Einst Opernsängerin, flog sie um die Welt. Nun, da sie aufs Fliegen verzichtet, singt sie Musicals. "Sie musste ihre Karrierepläne ändern, aber so schlimm war das nun auch wieder nicht", sagt ihre Tochter. Im Kongress in Washington, wo sie ihre Rede auf eine Minute beschränkte und anstelle eines Statements eine UN-Studie zur globalen Erwärmung einreichte, klang sie wie eine genervte Lehrerin, die nicht begreift, dass manche es einfach nicht begreifen. "Ich sehe keinen Grund, nicht auf die Wissenschaft zu hören. Das ist keine politische Frage, hier geht es um Wissenschaft." Und als Barack Obama sie mit den Worten lobte, dass sie beide ein Team seien, antwortete sie mit nichts als einem knappen "Ja". Greta sei die Jeanne d'Arc des Klimawandels, schrieb neulich das Magazin "New York". Vielleicht hat sie geschmunzelt über die typisch amerikanische Großspurigkeit.

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