Gratwanderung Beim Thema Sparen schweigt Kraft

DÜSSELDORF · Nordrhein-Westfalens Landesregierung arbeitet an einer gerichtsfesten Regelung für die Beamtenbesoldung. Bis dato kein Hinweis, wo gespart werden soll.

Am Tag nach der verfassungsgerichtlichen Niederlage im Fall Beamtenbesoldung herrscht in der rot-grünen Koalition Katzenjammer. Die frustrierte nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nimmt sich Bedenkzeit über die Sommerpause, wie die dramatisch hohe Millionenlücke im Haushalt gestopft werden kann.

Die Unterrichtung des Landtags über künftige Schritte gerät weitgehend inhaltsleer. FDP-Landeschef Christian Lindner greift die Regierungschefin frontal an: "Nicht ein einziger Hinweis, wo gespart werden soll."

Nachdem die Verfassungsrichter die beiden Nullrunden für höhere Beamte und das dreistufige Besoldungsmodell gekippt haben, bemüht sich Rot-Grün um Schadensbegrenzung. Noch am Vorabend hatte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) eine Haushaltssperre verhängt.

Alle Landesaufgaben werden auf ein "zwingend notwendiges Maß beschränkt". Das heißt: Gehälter werden gezählt, die Ko-Finanzierung für Bundes- und EU-Programme ist gesichert - freiwillige Leistungen werden meist gestrichen. Damit nicht genug: Erstmals schließt Walter-Borjans auch eine höhere Neuverschuldung nicht mehr aus.

Kraft verspricht, dass die vorgesehene Erhöhung für die unteren Tarifgruppe (bis A10) um insgesamt 5,6 Prozent für die beiden Jahre 2013 und 2014 erhalten bleibt. Auch die Übernahme der 1400 Beamtenanwärter ist garantiert.

Für die mittleren und höheren Beamten hat das Gericht eine 1:1-Übernahme des Tarifabschlusses nicht zwingend verlangt. Hier will Kraft mit den Gewerkschaften nach einem "geglätteten Übergang" suchen, nachdem die Richter die hart abgestufte Regelung als verfassungswidrig verurteilt haben. Eine 1:1-Anpassung würde NRW insgesamt 1,4 Milliarden Euro kosten - nicht finanzierbar, heißt es.

Während Kraft zu möglichen Sparoperationen schweigt und die Zahl der 284.000 Landesbediensteten verteidigt, lässt Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen die Katze aus dem Sack: "Es wird nicht ohne Personaleinsparungen gehen können." Auch müsse über Einnahmesteigerungen geredet werden, glaubt Priggen.

Die Opposition wittert eine "Steuererhöhungs-Orgie" und ahnt, wohin die Reise geht: eine höhere Grunderwerbssteuer. CDU-Finanzexperte Marcus Optendrenk sieht zudem noch andere Ursachen für die Haushaltssperre. Während Walter-Borjans für 2014 einen Anstieg der Steuereinnahmen um 5,2 Prozent eingeplant habe, lag das Plus bis Mai gerade bei 0,9 Prozent.

CDU-Oppositionsführer Armin Laschet vermisst jeden Sparwillen und wirft der Ministerpräsidentin vor, das Land mit dem Schuldenkurs dauerhaft in eine Regierungskrise zu treiben. FDP-Chef Lindner legt nach und kritisiert die "spekulative Finanzpolitik". Dass Rot-Grün in Zeiten von Rekordeinnahmen eine Haushaltssperre verhängen müsse, sei der politische Bankrott. Bei der Beamtenbesoldung sei Kraft rechtlich, finanziell und politisch gescheitert.

Für Finanzminister Walter-Borjans ist nach dem Urteil in Münster klar, dass die "Personalkosten spürbar nach oben treiben". Schon heute müssten 42 Prozent der Haushaltsmittel für Staatsdiener aufgewendet werden.

SPD-Fraktionschef Norbert Römer stellt deshalb klar, dass "auch der Personaletat einen Beitrag leisten muss" zum Sparen. Finanzminister Walter-Borjans weiß um die schwierige Gratwanderung: Wenn die Tariferhöhung nicht 1:1 für alle Beamten umgesetzt werde, "wird es immer das Risiko neuer Verfassungsklagen geben". In der Staatskanzlei haben die Verfassungsrechtler mit der Arbeit an einer gerichtsfesten Regelung begonnen.

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