Friedrichs Plakat-Kampagne "Billige Stimmungsmache"

BONN/BERLIN · Mit einer geplanten Plakat-Kampagne hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Empörung bei muslimischen Verbänden und bei Politikern aus Bonn ausgelöst. "Bonn ist eine weltoffene Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion friedlich zusammenleben", erklärten die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Katja Döner (Grüne) und warfen Friedrich "billige Stimmungsmache" vor. Er solle die Kampagne zurückziehen.

Trotz aller Kritik hält er allerdings an der Aktion fest. Sein Ministerium bekräftigte gestern, dass die strittigen Motive, die seit Montag bereits im Internet geschaltet sind, nicht zurückgezogen würden.

Ab 21. September soll die Fotoserie, die an Vermisstenanzeigen erinnert, auf Großflächenplakaten in Berlin, Hamburg und Bonn erscheinen. In zehn Städten bundesweit sollen Gratispostkarten verteilt werden.

Zur Auswahl der Städte wollte sich das Innenministerium nicht äußern. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass Bonn bei den Sicherheitsbehörden als islamistische Hochburg gilt. Man habe sich mit den muslimischen Verbänden abgestimmt, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Diese Version wird von vier der beteiligten Verbände bestritten. Sie kündigten die Zusammenarbeit mit dem Ministerium sogar in einer öffentlichen Stellungnahme auf.

Das Ministerium hatte die "Initiative Sicherheitspartnerschaft" im Juni 2011 ins Leben gerufen und mit den muslimischen Verbänden beraten, wie ein Abdriften junger Menschen in religiösen Fanatismus und Terrorismus verhindert werden könnte. In diesem Rahmen sollen die Plakate für die staatliche "Beratungsstelle Radikalisierung" werben, bei der sich besorgte Angehörige und Freunde melden können.

Teil der Initiative ist die seit Februar freigeschaltete Website "www.initiative-sicherheitspartnerschaft.de", auf der sich die Verbände auch vorstellen können. Vier von ihnen sprechen nun von einer "Fahndungsaktion", die sie niemals unterstützt hätten. Die Plakat-Motive seien geeignet, eine "gesellschaftliche Paranoia" heraufzubeschwören.

Die friedfertige muslimische Bevölkerung werde unter Generalverdacht gestellt. Kritik an der Plakataktion kam nicht nur von den Grünen, sondern auch von Friedrichs Koalitionspartner FDP. In der Bundesstadt ist die Empörung groß.

"Bonn ist eine weltoffene Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion friedlich zusammenleben", erklärten die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD) und Katja Döner (Grüne) und warfen Friedrich "billige Stimmungsmache" vor. Er solle die Kampagne zurückziehen.

Auch der Integrationsrat reagierte entsetzt. "Mit dieser Aktion werden Muslime pauschal verdächtigt", hieß es in einer Erklärung. Die Kampagne schade dem internationalen Standort. Der Integrationsrat appellierte an Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, sich für einen Stopp der Aktion einzusetzen. Der Bonner Stadtrat diskutiert nächsten Dienstag einen Dringlichkeitsantrag.

Nimptsch selbst und die Bonner Integrationsbeauftragte Coletta Manemann bezeichneten die Plakate als "wenig hilfreich". Sie seien "missverständlich" und trügen nicht zu einem "guten Miteinander" bei.

Unklar ist, ob die Stadt die Plakatierung juristisch verhindern könnte. Die Vermarktungsrechte auf Straßen und Plätzen hält die Ströer-Gruppe. Im Vertrag mit der Stadt ist aber offenbar auch ein Mitspracherecht der Kommune verankert.

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