Fall Edathy Bis zum nächsten Gefecht

BERLIN · Sebastian Edathy hat es geschafft, dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wie nie um seinen Ruf kämpfen muss.

 Gerät zunehmend unter Druck: der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann.

Gerät zunehmend unter Druck: der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann.

Foto: dpa

Es muss ein interessantes Telefonat gewesen sein an jenem 17. Oktober vorigen Jahres. Das Gespräch soll drei, vielleicht auch vier Minuten gedauert haben, so jedenfalls erinnert sich einer der zwei Beteiligten, der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke. Gegen 15.30 Uhr wird an diesem Nachmittag ein Anrufer zu Ziercke durchgestellt, mit dem Deutschlands ranghöchster Polizist nach eigenen Angaben zuletzt vor vier Jahren Gesprächskontakt hatte.

Am anderen Ende der Leitung ist immerhin ein Parteifreund, einer, der zu diesem Zeitpunkt auch als möglicher nächster Bundesinnenminister gehandelt wird und in dieser Position oberster Dienstherr Zierckes würde: Thomas Oppermann, bis dato noch SPD-Fraktionsgeschäftsführer.

Oppermann will bei diesem Anruf Aufklärung wegen eines Mannes aus den eigenen Fraktionsreihen: Sebastian Edathy, der im Verdacht steht, sich über Jahre kinderpornografische Filme und Bilder beschafft zu haben. Und jetzt kommt der Clou: Ziercke und Oppermann sollen sich, wenn man beiden glauben will, mehr oder minder angeschwiegen haben. Minutenlang. Ziercke verweigerte demnach die Information über Edathy, die Oppermann an diesem Nachmittag aus ihm herauskitzeln will.

Dieses Telefonat am Nachmittag des 17. Oktober 2013, mitten in den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD, könnte noch zentral werden, wenn es um die Aufklärung der Edathy-Affäre im Untersuchungsausschuss des Bundestages geht. Im neuen Jahr sollen beide, Ziercke und Oppermann, dort als Zeugen gehört werden.

Gänzlich anders als im Telefonkontakt mit Oppermann soll sich Ziercke, wollte man Edathy glauben, im Gespräch mit einem anderen Parteifreund, dem SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann, verhalten haben. "Mehrfach" und "von sich aus" habe Ziercke den Genossen Hartmann wegen der Causa Edathy "auf dem Laufenden" gehalten, so stellt es Edathy in einer eidesstattlichen Versicherung fest, angeblich, um weiteren Schaden von der SPD abzuhalten.

Hartmann bestreitet Edathys Version. Er habe von Ziercke keine Information über laufende Kinderporno-Ermittlungen gegen Edathy erhalten, so Hartmann in der Nacht zu Freitag im Untersuchungsausschuss. Folglich habe er selbst auch Edathy nicht informieren können.

Kurios: Hartmann und Edathy waren längere Zeit politisch enge Weggefährten, wenn auch nicht befreundet, wie Edathy zu Protokoll gab. "Er ist einfach menschlich ein feiner Kerl", sagt Edathy über seinen langjährigen Parteifreund Hartmann, den er nun wie auch Ziercke und Oppermann schwer belastet.

Edathy jedenfalls hat mit seinen Aussagen am Donnerstag in der Bundespressekonferenz und später im Untersuchungsausschuss des Bundestages mindestens eines erreicht: Unabhängig von seiner eigenen Glaubwürdigkeit hat der tief gefallene frühere Bundestagsabgeordnete Edathy es geschafft, den zumindest bei den Unionsparteien ohnehin angekratzten Ruf Oppermanns weiter zu beschädigen.

Zur Erinnerung: Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) musste im Februar von seinem neuen Posten als Bundeslandwirtschaftsminister zurücktreten, weil er im Oktober, vermutlich im guten Glauben, SPD-Chef Sigmar Gabriel über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert hatte. Edathy im Ausschuss über Friedrich: "Er ist menschlich absolut integer, aber innenpolitisch nicht so kompetent." Gabriel trug es an Oppermann weiter und der wiederum rief bei Ziercke an. Was ist da los?

Die Union, vor allem die CSU, hat es Oppermann bis heute nicht verziehen, dass mit Friedrich ausgerechnet einer aus ihren Reihen wegen einer ungeklärten Affäre das Ministeramt verlor, die eigentlich SPD-Sache ist. Der Vertrauensbruch zwischen Oppermann und führenden Unionspolitikern ist bis heute zu spüren - allen anderslautenden Lippenbekenntnissen zum Trotz.

CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer erinnerte am Donnerstagabend erneut daran, dass Friedrich den Posten räumte und eben niemand aus der SPD. Oppermann bleibt erkennbar angezählt, auch wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende sich beeilte, eine weitere Aussage Edathys zu dementieren. Anders als von Edathy behauptet, habe er, Oppermann, seinem Büroleiter Heiner Staschen kein Wissen über den Fall Edathy anvertraut - bis zu dessen Mandatsniederlegung.

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