Kommentar zum europäischen Grenzschutz Bitter

Die EU-Mitgliedstaaten zerpflücken den Vorschlag nach einem verstärkten Grenzschutz und schieben ihn auf Jahre hinaus. Das passt zum Versagen bei anderen Themen - nicht der europäischen Institutionen, sondern der Mitgliedsländer.

Seit Jahren rufen die EU-Staaten nach einem verstärkten Grenzschutz. Mindestens ebenso lange versprechen sie den Menschen in ihren Ländern, die anlandenden Flüchtlinge an den Grenzen besser zu kontrollieren. Als die EU-Kommission daraufhin die Stärkung ihrer Grenzschutzagentur Frontex vorschlug und die Behörde mit weitreichenden Kompetenzen ausstatten wollte, gab es viel Lob. Nun zerpflücken die Mitgliedstaaten – darunter auch Deutschland und ausgerechnet der CSU-Innenminister, der am lautesten Kontrollen an den Grenzen gefordert hatte – diesen Vorschlag und schieben ihn auf Jahre hinaus.

Dabei belegt die Situation in den bestehenden Auffangzentren, dass die Behörden der betroffenen Länder weiter völlig überfordert sind, dass die Abwicklung der Asylanträge unerträglich lange dauert, dass Rechtsschutz der Betroffenen Seltenheitswert hat. Und außerdem scheint manchen Regierungen offenbar viel daran zu liegen, dass ihnen nicht ausländische Beobachter auf die Finger schauen. Man sollte sich nichts vormachen: Der Umgang mit den richtigen und guten Vorschlägen der Kommission entlarvt die Doppelzüngigkeit vieler Vertreter der Mitgliedstaaten, die zwar Verbesserungen und europäische Solidarität fordern, aber sie nicht wirklich haben wollen. Während wieder andere sich jeder Mitverantwortung verweigern, aber trotzdem beim Verteilen von Fördermitteln die Hand aufhalten.

Dazu passt, dass auch der vorerst letzte Anlauf für gemeinsame Asyl-regelungen gescheitert ist. Bei der Tagung zum UN-Migrationspakt spricht die Union mit mehreren Stimmen. Es ist ja schön und gut, wenn die EU schon im Vorfeld der Abstimmung zum Europäischen Parlament 2019 bunte Plakate druckt und eingängige Slogans über die Bedeutung dieser Gemeinschaft propagiert. Aber beim Wähler bleibt eben doch der Eindruck, dass diese Union bei einer wirklich großen Herausforderung keine Linie findet. Das ist bitter.

Denn in den Vorschlägen der Brüsseler EU-Kommission ging es zwar um tiefgreifende Veränderungen des Asylrechtes. Aber auch um Standards im Umgang mit Hilfesuchenden wie deren humane Betreuung. Oder um es anders zu sagen: Brüssel wollte erreichen, dass die Menschen überall in der Union entsprechend jener Werte behandelt werden, auf die die EU so stolz ist. Dass das misslungen ist, entlarvt den Egoismus der Europäer.

So eklatant das Versagen auch ist, die Schuld dafür tragen nicht die europäischen Institutionen, sondern die Regierungen der Mitgliedstaaten. Sie bremsen, verweigern und blockieren. Nicht alle, das stimmt. Aber nicht einmal der kleine Kreis derjenigen, die sich auf die wesentlichen Punkte eines neuen Asylrechtes verständigen könnten, schaffen es, das zu beschließen, was unstrittig ist.

Am Ende bleibt ein Bild von Europa, das nicht überzeugt. So wird man den Kampf gegen die Populisten im nächsten Jahr sicher nicht gewinnen.

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