Kritik an Sicherheitsabkommen Blaupause für Vertrag mit Nato

KABUL · Nach monatelangem Feilschen haben Afghanistans Regierung unter Führung von Präsident Hamid Karsai und die USA sich auf ein bilaterales Sicherheitsabkommen geeinigt, das die Sicherheitskooperation der beiden Länder nach dem Abzug von Kampftruppen Ende 2014 regelt.

 Präsident Hamid Karsai (am linken Rednerpult) wirbt vor den Delegierten für den Sicherheitspakt.

Präsident Hamid Karsai (am linken Rednerpult) wirbt vor den Delegierten für den Sicherheitspakt.

Foto: dpa

Das Dokument, das auch als Blaupause für ein ähnliches Abkommen zwischen der Nato einschließlich der Bundeswehr und Kabul dienen wird, garantiert ausländischen Soldaten Immunität und erlaubt ausländischen Soldaten, in "ernsten Fällen" auf eigene Faust afghanische Häuser zu durchsuchen.

Alle Nato-Staaten hatten das Abkommen zur Bedingung für einen Verbleib von Truppen gemacht. Es gibt der Regierung in Kabul Rückhalt für den Konflikt mit den radikalislamischen Taliban. Doch die Chancen auf einen Frieden bessert es nicht. "Frieden und Stabilität sind die Prioritäten aller Afghanen", erklärte in Kabul der frühere Taliban Wahid Mozhda gegenüber dieser Zeitung, "aber dieses Abkommen beschert uns zehn Jahre mehr Krieg."

Die Talibanmilizen verlangen den Abzug aller ausländischen Soldaten als Grundlage jeder Friedensvereinbarung. Präsident Hamid Karsai machte bei einem Treffen von knapp 3000 handverlesenen Delegierten einer sogenannten "Großen Ratsversammlung (Loya Jirga) deutlich, auf welcher Grundlage die zukünftige Partnerschaft beruht: "Wir brauchen das Abkommen. Aber ich vertraue den westlichen Staaten nicht, und sie vertrauen mir nicht."

Und dann kündigte er überraschend an, mit der Unterzeichnung des Abkommens solle bis nach den Präsidentenwahlen im kommen April gewartet werden. Karsai tritt bei dem Urnengang nicht an.

Zwölf Jahre, nachdem Karsai und westliche Staaten sich in einer Zweckgemeinschaft zusammenfanden, um Afghanistan vor einer Wiederkehr der radikalislamischen Talibanmilizen zu bewahren, hält offenbar nur noch die gegenseitige Abhängigkeit die Partnerschaft aufrecht. Laut der "Afghan Study Group" benötigen die 350.000 Mann umfassenden Polizei- und Sicherheitsstreitkräfte jährlich vier Milliarden US-Dollar zur Finanzierung.

Washington wird die Hälfte übernehmen. Obwohl auch andere westliche Staaten einspringen, muss Kabul selbst immer noch eine Finanzlücke von 500 Millionen US-Dollar überbrücken. Das Abkommen, das zunächst bis zum Jahr 2024 gelten soll, sieht neun Stützpunkte für US-Soldaten vor. Laut Auskunft von Sicherheitsberater Rangin Dadfar Spanta können bis zu 16 000 ausländische Soldaten in Afghanistan bleiben.

Dazu werden auch Nato-Soldaten gehören. Die Bundeswehr dürfte weiter im nordafghanischen Masar-i-Sharif präsent sein. Gemessen an den vergangenen Jahren nimmt sich die ausländische Truppenzahl relativ gering aus. Allerdings steht fest, dass auch nach Ende 2014 neben einer unbekannten Zahl von CIA-Agenten eine massive Zahl von Söldnern am Hindukusch bleibt. Das US-Verteidigungsministerium beschäftigt schon jetzt knapp 90.000 sogenannte "Contractors".

Das sind mehr Söldner als ausländische Soldaten. Manche Beobachter gehen davon aus, dass gegenwärtig die gesamte Söldnerzahl dreimal höher ist als die ausländischer Soldaten. Für die hoch bezahlten "Contractors" - so das neumodische Wort für den jahrhundertealten Job - gilt freilich nicht die Immunität, die laut dem Abkommen regulären westlichen Truppen gewährt wird.

Laut Karsai haben ihm die Staatschefs von Russland, China und Indien zur Unterzeichnung geraten. Lediglich der Nachbar Iran scheint zurückhaltend reagiert zu haben. Doch die Gegner im eigenen Land werden kaum glücklich über die zukünftige Stationierung ausländischer Truppen am Hindukusch sein. Die Talibanmilizen, so Nato-Geheimdienste, verfügen über rund 20 Prozent mehr Kämpfer als vor vier Jahren.

"Die Milizen werden nun verstärkt die Wahlen im kommenden Jahr sabotieren", glaubt Mozhda, der über enge Kontakte zu den Milizen verfügt, "eine Chance für den Frieden wurde verschenkt." Etwa 3000 Afghanen, die ähnlich denken, trafen sich am Wochenende in Kabul zu der bisher größten Protestversammlung Afghanistans. Zur Loya Jirga wurden sie nicht zugelassen. Sogar bei den "Famayeshi", den handverlesenen Delegierten, regte sich Zorn.

"Das bedeutet gar nichts", schimpfte die Senatorin Bilqees Roshan, eine Paschtunin, lauthals über den Passus, wonach die US-Soldaten ab 2015 nur in "wichtigen Fällen" Häuser durchsuchen würden. "Denen ist alles wichtig." Dann wurde sie von afghanischen Sicherheitsleuten aus der Versammlung gezerrt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort