Mindestabstand von fünf Monaten NRW schränkt frühere Booster-Impfungen wieder massiv ein

Wann ist die Booster-Impfung in NRW möglich? Die Landesregierung rudert nach heftiger Kritik von Virologen und Kassenärztlichen Vereinigungen zurück. Von mindestens fünf Monaten ist jetzt die Rede, nachdem zuvor ein Abstand von lediglich vier Wochen genannt wurde.

 NRW schränkt die Regelung für frühere Booster-Impfungen wieder massiv ein. (Symbolfoto)

NRW schränkt die Regelung für frühere Booster-Impfungen wieder massiv ein. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Nach massiver Kritik schränkt die NRW-Landesregierung die Möglichkeit von Booster-Impfung nur vier Wochen nach der letzten Spritze in einem neuen Erlass wieder stark ein. Bei einer Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus solle „im Regelfall“ ein Abstand von mindestens fünf Monaten zur Grundimmunisierung eingehalten werden. Wer nach mindestens vier Monaten zum Boostern kommt, solle aber auch geimpft werden, heißt es in dem Erlass. Der Mindestabstand von vier Wochen sei nur in „Einzelfallentscheidungen aufgrund einer medizinischen Indikation“ weiterhin möglich, teilte das Gesundheitsministerium mit.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte noch am Tag zuvor bekräftigt, dass Booster-Impfungen in NRW grundsätzlich nach vier Wochen möglich seien. Dies sei zwar nicht als Empfehlung zu verstehen, betonte Wüst. Wer allerdings frühestens vier Wochen nach der Zweitimpfung zum Boostern komme, werde auch nicht weggeschickt. Experten hatten diesen Alleingang des bevölkerungsreichsten Bundeslandes kritisiert. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen teilte die Ansicht nicht. Auch im Landtag sorgte die Ankündigungen der Landesregierung bereits für heftige Kritik.

Kutschaty kritisierte Vier-Wochen-Regelung

Der Oppositionsführer im Landtag, SPD-Landtagsfraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty, kritisierte die Vier-Wochen-Regelung in NRW zur Booster-Impfung als ein „kommunikatives Desaster“. Man werde einen „Run auf Impfeinrichtungen und Ärzte haben“, warnte Kutschaty, der auch SPD-Landeschef ist. Er fürchte „Vordrängler“ und „Ellebogen“. Außerdem sei es nicht angebracht, sich nach vier Wochen boostern zu lassen - wenn es nicht medizinisch notwendig sei.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer sagte am Mittwoch im Landtag: „Das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie ist nach wie vor geprägt von einem Schlinger-Kurs und von Kommunikationschaos.“ Dies sei „absolut verheerend in einer Pandemie“.

Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie hatte kritisiert, vier Wochen nach der Zweitimpfung seien bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der Booster wirke dann viel schlechter. „Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen“, sagte Carsten Watzl (Dortmund), Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, am Dienstag. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern, beziehe sich nur auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die auf die ersten beiden Impfungen nicht oder kaum reagiert hätten, erklärte der Immunologe.

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk (Hannover), hält eine Verkürzung für falsch. „Aus immunologischer Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh“, sagte Falk. Das Immunsystem sei dann noch mit der „Reifung“ zugange. „Dabei werden vor allem die Antikörper noch einmal verbessert - wie bei der Reifung eines guten Weines“.

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein teilte am Dienstag mit, man halte eine generelle Verkürzung der Frist zum Boostern nicht für sinnvoll. Sofern das Gesundheitsministerium an seinem Erlass festhalte, betreffe dies daher nur die kommunalen Impfangebote, nicht die Arztpraxen. Für früheres Boostern müssten medizinisch individuelle Umstände vorhanden sein, welche die Abweichung rechtfertigen, begründete ein Sprecher auf Anfrage. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sieht „keinen Sinn“ in einer Auffrischungsimpfung vor Ablauf von mindestens vier Monaten.

Der neue Erlass der Landesregierung ermöglicht es den Kreisen und kreisfreien Städten unterdessen, auch an den Weihnachtsfeiertagen und am Neujahrstag zu impfen. „Auf konkreten Wunsch einzelner Kommunen“ werde es erlaubt, „Impfangebote auch am 1. und 2. Weihnachtstag sowie am Neujahrstag zu organisieren.“

(dpa)
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