Neue EU-Richtlinie Brüssel bremst Werbelügen

BRÜSSEL · Schokolade macht nicht glücklich, probiotische Joghurts stärken mitnichten die Immunabwehr und Eisen verhindert keinen Haarausfall - ab sofort sind die Verbraucher vor solchen Werbelügen geschützt. Die neue EU-Richtlinie über gesundheitsbezogene Reklamesprüche sorgt für mehr Verlässlichkeit beim Einkauf.

 Umstrittener Slogan: "So wichtig wie das tägliche Glas Milch", wirbt der Hersteller für seinen Kinder-Fruchtquark. Der Bundesgerichtshof hält den Werbespruch für nicht zulässig.

Umstrittener Slogan: "So wichtig wie das tägliche Glas Milch", wirbt der Hersteller für seinen Kinder-Fruchtquark. Der Bundesgerichtshof hält den Werbespruch für nicht zulässig.

Foto: ap

Am Freitag lief die Übergangsfrist für alle Hersteller aus, die gesunde Versprechen als Werbemasche nutzten. "Was auf der Verpackung steht, muss auch stimmen", begrüßte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner das Inkrafttreten der Richtlinie, die 2006 in Brüssel verabschiedet worden war. In den letzten Jahren hatten die Experten der Europäischen Lebensmittelagentur (EFSA) in Parma/Italien rund 44.000 verschiedene Werbesprüche unter die Lupe genommen und auf ihre wissenschaftliche Haltbarkeit überprüft. Übrig blieben jetzt ganze 222, die von den Herstellern genutzt werden dürfen. "Fluorid trägt zur Zahnmineralisierung bei" gehört dazu. Ebenso wie "Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt". Und auch "Haferkorn-Ballaststoffe tragen zur Erhöhung des Stuhlvolumens bei" wurde von den Prüfern akzeptiert.

Allerdings sind die Untersuchungen in Parma noch nicht abgeschlossen. Es fehlen noch Angaben zu rund 2000 pflanzlichen Stoffen sowie 200 weiteren Substanzen aus Mikroorganismen. Diese sollen in den nächsten Monaten nachgereicht werden. Außerdem ist eine ständige Aktualisierung der Liste geplant.

Damit der Verbraucher beim Einkauf nicht mit einem ernährungswissenschaftlichen Fachbuch unterwegs sein muss, haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine einfache Formel geeinigt: Was nicht erlaubt ist, ist verboten. Der Kunde soll allen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen, die er ab heute auf den Verpackungen findet, trauen können.

Kritiker bemängeln, dass es mit der versprochenen Klarheit nicht weit her ist. So sollten beispielsweise Produkte wie Schokolade oder Eiscreme nicht allein deswegen täglich auf dem Speiseplan stehen, weil die bei der Herstellung verwendete Milch einen natürlichen Calcium-Gehalt hat. Auch ein überzuckertes Getränk mit Farbstoffen werde nicht gleich deswegen gesund, weil ihm Elektrolyte beigemischt wurden. Die EU-Lebensmittelexperten hatten den Werbespruch "Kohlenhydrat-Elektrolyt-Getränke steigern die sportliche Leistungsfähigkeit" zugelassen. Vielen Ernährungsexperten ist das ein Dorn im Auge.

Trotz solcher Grenzfälle erhofft sich die EU-Kommission von der Neuregelung einen bewussteren Umgang der Verbraucher mit Nahrungsmitteln. "Der Kunde wird nicht mehr über die Wirkung eines Lebensmittels getäuscht", hieß es dazu in Brüssel. "Er kann den Produktwerbungen wirklich vertrauen und weiß, was er zu sich nimmt."

Aus EU-Sicht gehört das Verbot von Werbelügen nämlich zu einem größeren Paket, das auch Mini-Steckbriefe über die verwendeten Inhaltsstoffe sowie Hinweise für Allergiker vorsieht, so dass der Kunde auf die Richtigkeit der Werbeaussagen bauen, sich aber gleichzeitig auch weitergehend über Tagesdosen und besondere Zusätze informieren kann.

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